BRAU- und MESSTECHNIK
Brausystem, eingesetzte Messverfahren und weitere Techniken im Überblick
BRAU- und MESSTECHNIK
Brausystem, eingesetzte Messverfahren und weitere Techniken im Überblick
Brau- und Gärparameter: Temperatur und pH-Wert
Biochemische Reaktionen spielen sich immer in wässriger Umgebung ab. Von den Milieufaktoren sind Temperatur, pH-Wert (Säuregrad), Ionenmilieu (Zusammensetzung, Konzentration) und Sauerstoff die wichtigsten Parameter. Das Ionenmilieu wird auf dieser Website unter "MUG-MIKROBRAUEREI" > "Brauwasser" und Sauerstoff unter "MUG-BRAUPROZESSE" > "Biologie der Gärung" > "3. Sauerstoff: Feind oder Freund des Brauers?" hier behandelt.
1. TEMPERATUR, TEMPERATURFÜHRUNG UND GÄRVERLAUF
1.1. Grundlagen zur Temperatur
1.2. Temperatur und biologische Systeme
1.3. Temperatur und Beeinflussung des Brauprozesses:
Vom Malz und Hopfen zur Maische bis zur Anstellwürze
1.4. Temperaturführung während Hauptgärung und Beeinflussung Gärungsprozess
1.5. Weitere Temperatureinflüsse
1.6. Fazit: Zusammenfassende Betrachtung der Erfolgsfaktoren für gutes Bier
"Welche Einflussgrössen sind entscheidend zu einem hobbymässigen Spitzenbier? Während über die Priorisierung der Erfolgsfaktoren unter Hobbybrauern diskutiert werden kann, haben professionelle Brauer eine klare Vorstellung, dass der Regulierung der Gärtemperatur die vorrangige Bedeutung zukommt. Zu den wichtigsten Schlüsselfaktoren für Spitzenbiere werden gezählt:
1. Hygiene: Sicherstellung, dass die ausgewählte Brauhefe die Würze als einziger Mikroorganismus verarbeitet.
2. Temperatur: dieser Faktor beeinflusst sowohl die Enzymtätigkeiten in der Maische als auch den Gärverlauf und die Aromabildung.
3. Hefemanagement: alle Arbeitsschritte rund um Auswahl, Anzucht, Menge und Hefequalität müssen sorgfältig ausgeführt werden.
4. Sudvorgang: optimales Kochen ohne Unter- oder Überkochen und perfekte mengen- und zeitmässige Zugabe aller Zutaten.
5. Braurezept: ein gutes Rezept mit dem optimalen Verhältnis aller Zutaten (Malzsorten, Hopfen, Zusatzstoffe) ist die Grundlage eines guten Bieres, kann
aber nur durch darauf abgestimmte Brautechniken realisiert werden.
6. Brauausrüstung: mit minimalster Ausrüstung kann ein trinkbares Bier gebraut werden, ein besseres Bier verlangt auch eine bessere Ausrüstung wie z.B.
exakte Bestimmung der Extraktdichten, pH-Messung, Temperaturkontrolle, Temperaturregelung.
1.1. Grundlagen zur Temperatur
Was ist Temperatur überhaupt und was kann sie bewirken?
Temperatur ist eine sogenannte Zustandsgrösse, die als Variable den Zustand eines physikalischen Systems beschreibt. Konkret: die Temperatur ist ein objektives Mass dafür, wie warm oder kalt ein Gegenstand ist. Sie kann mit einem Thermometer gemessen werden. Die Masseinheit im Internationalen Einheitensystem SI ist das Kelvin [K] bzw. in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist die Einheit Grad Celsius [°C] ebenfalls zulässig.
Die Celsius-Skala der Temperatur ist so definiert, dass die Temperatur in Grad Celsius gemessen gegenüber der Temperatur in Kelvin um exakt 273,15 verschoben ist. Gefrier- und Siedepunkt von Wasser bei Normalbedingungen (101,325 kPa Druck) liegen mit dieser Definition bei fast exakt 0 °C (273.15 K) und 100 °C (373.15 K).
Umrechnungen: °C –> K = °C + 273; Bsp. - 50 °C + 273 = 223 K/ 0 °C + 273 = 273 K/ 100 °C + 273 = 373 K. 283 K - 273 = 10 °C.
Veranschaulichung einer bestimmten Temperatur: die mikroskopische Deutung der Temperatur dass jeder materielle Stoff aus vielen Teilchen zusammengesetzt ist (meist Atome oder Moleküle), die sich in ständiger ungeordneter Bewegung befinden und dadurch eine Energie haben, die sich aus kinetischer bzw. Bewegungsenergie darstellen lässt. Je wärmer z.B. eine Flüssigkeit ist, desto energiereicher ist sie, desto schneller bewegen sich die kleinsten Teilchen, z.B. die Wassermoleküle und stossen aufeinander.
Eine Hand im kalten Wasser nimmt “langsame” Moleküle mit weniger Energie war als eine Hand im heissen Wasser, deren “schnellen” Moleküle mit höherer Energie bzw. Geschwindigkeit auf die Haut bzw. deren Wahrnehmungsrezeptoren (= Schmerzrezeptoren) stossen. Je höher die Temperatur, desto höher die kinetische Energie, desto zahlreicher und heftiger die Zusammenstösse und dadurch die höhere Wahrscheinlichkeit einer Reaktion miteinander, z.B. einer chemischen Umsetzung wie enzymatische Abspaltung von Zuckermolekülen aus Stärke.
Kurz: bei höheren Temperaturen laufen chemische Reaktionen rascher ab, da die Zusammenstosswahrscheinlichkeit zunimmt und auch die verfügbare chemische Reaktionsenergie. Es gilt die RGT-Faustregel: Eine Erhöhung um 10 °C verdoppelt die Reaktionsgeschwindigkeit (RGT: Reaktions-Geschwindigkeit Temperatur; Info-Video).
Abb. 1. Chemische Reaktionen dank Zusammenstösse.
Eine chemische Reaktion erfolgt immer durch das Zusammenstossen von Molekülen, die sich aber in einer günstigen räumlichen Lage aufeinander treffen müssen = effektiver Zusammenstoss.
[Quelle: Brown et al., Chemie, Pearson Studium (2007), mod.]
Abb. 2. Die Enzymaktivität (bzw. Enzymreaktions-geschwindigkeit) hängt von der Temperatur ab.
Bsp. Maltase, O: Optimumstemperatur 45 °C, M: Maximal-temperatur (= Inaktivierungstemperatur) 50 °C.
[Quelle: Kunze, 2016, mod.]
1.2. Temperatur und biologische Systeme
Biologische Reaktionen laufen enzymatisch katalysiert ab. Enzyme sind dreidimensionale Proteine, welche eine chemische Stoffumsetzung bei tieferen Temperaturen, also geringerem Energieaufwand für die Aktivierung ermöglichen. Jedes Enzym hat Bedingungen, bei denen es optimal reagiert. Die beiden wichtigsten Faktoren sind bei biochemischen Reaktionen der pH-Wert und die Temperatur. Beim Brauprozess kommen noch zwei weitere Faktoren dazu: beim Maischen werden die Enzymaktivitäten durch die Einwirkungszeit und von der Maischdicke. Für Heimbrauer sind primär die Faktoren pH und Temperatur massgebend.
Steigende Temperaturen beeinflussen die Enzymreaktionen in einem bestimmten
Temperaturbereich positiv, weil sich die Enzym- und Substratmoleküle, also die
umzusetzenden Moleküle wie z.B. Stärke schneller bewegen. Da Enzyme delikate
komplex gebaute Molekülstrukturen sind, können sie nicht durch beliebig hohe
Temperaturen noch mehr in ihrem Reaktionstempo beschleunigt werden, ohne
dass sie denaturieren, also “kaputt” bzw. funktionsuntüchtig werden. Jedes Enzym
besitzt somit einen Temperaturbereich, innerhalb dessen es funktioniert mit einem
spezifischen Temperaturoptimum, wo es optimal-maximale Aktivität zeigt. Darunter
verlangsamt es seine Reaktionsgeschwindigkeit bis zur vollständigen Lahmlegung.
Darüber hinaus verliert es ebenfalls an Reaktionsgeschwindigkeit, bis es dann durch
Denaturierungsvorgänge (Veränderung der dreidimensionalen Eiweiss-“Knäuel-
struktur”) unumkehrbar ganz zerstört wird. Die Enzymaktivität ist aber nicht nur von
der Temperatur alleine abhängig, sondern zusätzlich noch von der Einwirkungszeit
einer bestimmten Temperatur: bei niedrigen Temperaturen sind Enzyme fast
unbegrenzt lange aktiv, bei zunehmender Temperatur nimmt ihre Aktivität rasch ab.
Weitere die Enzymaktivität beeinflussende Faktoren sind neben dem pH-Wert auch
die Dicke der Maische (bzw. die Konzentration der Vorderwürze, bedingt durch die
sog. Gussführung = Verteilung der Gesamtwassermenge auf Haupt- und Nachguss).
Dabei gilt, dass dickere Maischen die Enzymaktivitäten, insbesondere der Amylasen
länger erhalten als dünnere Maischen.
Diese Aussagen mögen durch zwei brautechnisch wichtige Enzyme illustriert werden, den Stärke-abbauenden Amylasen, die grob vereinfacht Stärke in Zuckereinheiten zerlegen.
Im Folgenden liegt der Schwerpunkt der Betrachtungen auf die Auswirkung der Temperatur auf die einzelnen Phasen im gesamten Brauprozess. Die übrigen Enzym-beeinflussenden Faktoren werden an anderer Stelle ausführlicher behandelt (siehe “Biologie der Gärung: 4. Brauenzyme [hier*]; Brau- und Gärparameter > 2. pH-Wert [hier*]). *: in Bearbeitung.
1.3. Temperatur und Beeinflussung des Brauprozesses: Vom Malz und Hopfen zur Maische bis zur Anstellwürze
1.3.1. Ausgangsstoffe Malz und Hopfen
Ungeschrotetes Malz ist mehrere Jahre haltbar. Es sollte allerdings luftdicht, kühl (deutlich unter Zimmertemperatur, optimal bei 12 to 15 °C [Info]) und trocken in Säcken oder Eimern aus Kunststoff gelagert werden. Bei der bekannten Malzfabrik Weyermann findet man sogar folgende Feststellung: “Bei trockener Lagerung innerhalb eines Temperaturbereichs von 0 °C bis 30 °C haben unsere Malzextrakte ungeöffnet eine Mindesthaltbarkeit von 18 Monaten” [Info]. Geschrotetes Malz sollte man nicht lange lagern, es sollte innerhalb weniger Tage bis Wochen aufgebraucht werden. Durch das Mahlen wird das Getreidekorn zerstört und der Mehlkörper mitsamt seinen Enzymen einer Oxidation ausgesetzt. Geschrotetes Malz kann tiefgefroren (≤ -18 °C) längere Zeit problemlos aufbewahrt werden.
Hopfen ist sehr empfindlich, und seine Lagerung erfordert grosse Sorgfalt. Nachdem der Hopfen gepflückt wurde, lagern die Hopfenfirmen den Hopfen bei einer Temperatur unter dem Gefrierpunkt. Hitze, Licht und Sauerstoff sind die grossen Feinde von Hopfendolden und -pellets. Hopfen sollte in sauerstoff-, geruchs- und lichtundurchlässigen Beuteln verpackt und unter Vakuum versiegelt werdern. In diesen Beuteln gelagerter Hopfen ist normal gekühlt (2-4 °C) etwa ein Jahr lang gut, tiefgefroren (-18 °C) deutlich länger.
1.3.2. Maischen
Die folgenden Ausführungen haben ihre Gültigkeit für das im deutschsprachigen Raum meist eingesetzte Maischverfahren, das mehrstufige Infusionsverfahren (Kesselmaischverfahren: maischen im beheizten Kessel). Der Prozess des Maischens besteht darin, dass die Maische, also das Malzschrot-Wasser-Gemisch stufenweise auf die jeweiligen Optimaltemperaturen der notwendigen rasttypischen Enzyme erwärmt wird und dort jeweils die Temperatur eine bestimmte Zeit lang konstant hält. Beim mehrstufigen Infusionsverfahren wird die gesamte Maischmenge unter Einhaltung von eben diesen temperatur- und zeitdefinierten Phasen, den Rasten bis zur Abmaischtemperatur erhitzt.
Maximal können 6 Phasen unterschieden werden (Abb. 4):
Abb. 3: Temperatur- und pH-Optima zweier Schlüsselenzyme beim Maischevorgang.
Glucose: Angärzucker, Maltose: Hauptgärzucker, Maltotriose: Nachgärzucker.
pH-Optima: α-Amylase pH 5.3-5.7; β-Amylase pH 5.1-5.3.
Die Temperatur- und pH-Angaben variieren leicht je nach Autor; in der Tabelle sind die meist erwähnten typischen Werte notiert.
Abb. 4: Rasten (= Temperaturstufen) mit den entsprechenden Schlüsselenzymen und deren Auswirkungen. [Quelle: Kraftbier 0711, Wissen: Maischen]
Die folgenden Betrachtungen beziehen sich auf das mehrstufige Einmaischverfahren bzw. mehrstufige Infusion*, ausgeführt als Kesselmaischmethode (syn. Erwärmungsverfahren oder Aufheizverfahren, d.h. Braukessel = Maischbottich). Die Vielfalt der Maischverfahren ist von A. Staudt im Artikel “Auswahl eines Maischverfahrens” beschrieben worden (Braumagazin, Winter 2014/15, Info). Die mehrstufige Infusion folgt meist dem folgenden Grundschema:
Hauptphase 1: Wasseraufnahme durch Stärkekörner im Malz –> physikalischer Vorgang der Verkleisterung –> erst gelöste Stärke kann enzymatisch abgebaut werden.
Hauptphase 2: enzymatische Vorgänge rund um Malzschrotinhalte, Hauptvorgänge: enzymatischer Stärkeabbau zu Zucker. Je nach enzymatischen Vorgängen verschiedene Temperaturoptima (cf. Tabelle Abb. 4). Die Hauptphase 2 wird in verschiedene separate Teilphasen, in sog. Rasten unterteilt. Die typische Temperaturfolge ist in Blauschrift hervorgehoben. Das Hauptergebnis/ Produkt der Teilphasen wird mit Grün hervorgehoben.
- 2.1: Einmaischen: vollständige Durchmischung und Verkleisterung bzw. Quellung inkl. Verflüssigung des Malzschrotes mit dem Hauptgusswasser. Die gewählte Einmaischtemperatur hängt meist von der gewählten ersten Rasttemperatur ab (cf. Tab. Abb. 4). Aber auch die Herkunft der Stärkekörner hat einen Einfluss auf die optimale Verkleisterungstemperatur: Gerste* 58-65 °C, Weizen* 58-64 °C, Roggen* 57-70 °C, Hafer* 57-72 °C, Sorghumhirse 69-75 °C, Mais** 72-78 °C, Reis** 70-85 °C (*: verkleistern während des Maischens, **: durch Kochen vorkleistern). Mit den heute üblichen modernen, gut vorgelösten* Malzen wird häufig mit einer Einmaischtemperatur von 45-48 °C eingemaischt –> Einmaischen zur Eiweissrast (cf. 2.5.3.).
(*dem Mälzungsvorgang kommt u.a. die Aufgabe zu, die Gerstenkornauflösung durch die korneigenen Enzyme so weit zuzulassen, bis der Korninhalt wasserlöslich geworden ist, damit diese Bau- und Energieträgerstoffe des Nährgewebes (Endosperm, cf. Abb. 7 hier) für den Blatt- und Wurzelkeim der keimenden Getreidepflanze verwertbar sind).
Viele Brauereien maischen aber bereits mit einer Temperatur von 60-64°C für 20-60 min –> Einmaischen zur Maltoserast.
- 2.2: Maltoserast bzw. 1. Verzuckerung: β-Amylase
katalysierter Abbau von ringförmiger Amylose und
verzweigtem Amylopektin von den Kettenenden her
zum vergärbaren Doppelzucker Maltose. Temperatur-
optimum: 60-68 °C für 30-90 min –> optionale Zwischenrast.
- 2.3: Zwischenrast optional für höheren Vergärungsgrad
(mehr Maltose) bei 67 °C für 15 min.
- 2.4: Endverzuckerung bzw. 2. Verzuckerungsrast:
durch α-Amylasen katalysierter Abbau von Amylose zu
Pentosen (C5), Hexosen (C6) und Heptosen (C7) und
Amylopektin zu verschiedenen Oligosacchariden
(Mehrfachzucker: Di-, Tri-, Tetra-, Pentasaccharide)
und verzweigte kurzkettige Dextrine ([Glucose]n) bei
70-72 °C für 15-45 min (oder jodnormal). Bei der
2. Verzuckerungsrast läuft die Verzuckerung zwar
am schnellsten, aber es wird auch der grösste Anteil
nicht vergärbarer Zucker gebildet. Ein Teil der durch
die α-Amylasen abgespaltenen Zuckerbausteine
können durch die bei den höheren Temperaturen
noch vorhandenen Enzymaktivitäten der β-Amylase
in Maltose gespalten werden. Die nichtvergärbaren
Zucker tragen zur Aromabildung und Vollmundigkeit bei.
- 2.5. Weitere mögliche Rasten
2.5.1. Glukanrast/Gummirast: Roggen enthält einen hohen Glukananteil () in den Zellwänden, welche die Würze viskös oder eben “gummiartig” macht. Durch eine Glukanrast bekommt das Enzym Glucanase bei 35-40 °C (typisch: 39 °C) und 15-30 min genügend Zeit, um Glucan abzubauen –> Viskositätserniedrigung.
2.5.2. Weizenrast/Ferulasäurerast: Besonders Weizenmalz enthält Vorläuferstufen zur Ferulasäure, deren Abbauprodukte zu einigen typischen Weizenbieraromen (z.B. Gewürznelken –> typisches Weizenbieraroma) führen. Die doppelte Rasten führen zur Lösung und dann Abbau der Ferulasäure. Temperaturbereiche: 45 und 48 °C (typisch 44 °C), Dauer je 15 min (Info).
2.5.3. Eiweissrast/Proteaserast: Getreidekörner enthalten viele Peptide, also Aminosäureketten, welche der Pflanzenkeimling für die Synthese wichtiger Proteine benötigt. Diese Peptide wercen durch spezielle Enzyme (= Proteasen) weitestgehend aufgespalten und zu den Grundbausteinen der Proteine, den Aminosäuren abgebaut. Eine Eiweissrast aktiviert diese Proteasen bei einer Temperatur zwischen 50-58 °C (typisch 54 °C) und einer Dauer von 5-15 min.
Dies bewirkt eine bessere Klärung, Vollmundigkeit, längere Haltbarkeit und angenehmeren Geschmack der Biere.
Die meisten heutigen Gerstenmalze sind auch bezüglich der Proteine gut vorgelöst. Eine optionale Eiweissrast dient daher primär der Freisetzung von freiem Aminostickstoff (FAN), welchen die Hefen, besonders untergärige Stämme und Weissbierhefen bei der späteren Gärung für eine einwandfreie Gärung sowie hohen Vergärungsgrad benötigen. Eine kürzere Dauer ist zudem günstig für eine gute Schaumbildung und dessen Stabilität. Eine lange Rast bei 45°C bringt immer einen schlechten Schaum.
2.5.4. Maltaserast: Beim normalen Maischverfahren bestehen die gebildeten Zucker zu 90% aus Maltose und nur zu etwa 10% aus Glucose. Es kann aber erwünscht sein, zur Aromabildung den Glukosegehalt in der Maische und Würze deutlich zu erhöhen. Dazu dient eine Temperatureinwirkung zwischen 30-45 °C (typisch 45 °C) während 30-60 min. Maltase spaltet den Doppelzucker Maltose in Glucose, welches von den Weissbierhefen zu Ethylacetat und Isoamylacetat abgebaut werden kann –> Bananenaroma in Weizenbieren.
Eine vollständige Übersicht und Charakterisierung aller beteiligter Enzyme beim Maischprozess und der Gärung findet sich auf dieser Website unter “Biologie der Gärung” (in Bearbeitung).
2.6. Abmaischen und Läuterrast (syn. Läuterruhe): Der Maischvorgang wird durch das Abmaischen beendet. Beim Abmaischen wird die Maische für ca. 5 bis 10 min auf ca. 75 bis 78 °C erhitzt, um die Aktivität aller Enzyme zu beenden und die Viskosität der Würze zum effektiveren Läutern noch etwas zu reduzieren (je wärmer, desto flüssiger). Bei Temperaturen über 80 °C wiederum würden sich noch unverzuckerte Stärke sowie unerwünschte Stoffe aus den Spelzen lösen, die den Gärverlauf und die Geschmacksbildung ungünstig beeinflussen könnten. Der Anschlussprozess an das Abmaischen ist die Überführung der fertigen Maische aus der “Sudpfanne” (heizbarer Kessel) in den Läuterbottich. In der nachfolgenden sog. Läuterruhe bildet sich das Treberbett aus, indem die Treberpartikel langsam nach unter absinken und so die spätere Filterschicht bilden (Hinweis: beim Braumeister mit Braukessel und integrierterm Malzrohr entfallen diese Schritte: die Maische verbleibt zum Läutern im Maischgefäss).
Abb. 5. Maischdiagramm einer mehrstufigen Infusion.
Stufen: Einmaischen mit Nachheizen, Rasten im Enzymoptimum der β-Amylase um 62°C, danach Aufheizen zur Verzuckerungsrast um 71°C im Optimum der α-Amylase, Abmaischen bei 78°C.
Nach Staudt zeichnet sich dieses Verfahren durch 3 Merkmale aus:
-
sehr flexibel, kann auf alle Rohstoffe eingestellt werden
-
Stärke- und Eiweissabbau gut steuerbar
-
gut automatisierbar, z.B. mit der Speidel-Braumeisterapparatur.
[Quelle Diagramm: Staudt, A., Brau!magazin, Winter 2014/15, mod. hier. Brew Recipe Deveolper: hier].
1.3.3. Läutern und Anschwänzen
Im Gegensatz zu den primär biochemischen Prozessen beim Maischen ist das Läutern ein rein
physikalisch-strömungsmechanischer Vorgang. Abläutern nennt man das Trennen des Malzschrotes
(Treber) von der Bierwürze. Nachdem die Vorderwürze (= ) abgelaufen ist, werden durch ein
nachträgliches Auswaschen des Malztrebers mit einem sog. Nachguss noch die letzten Extraktreste
herauslösen. Diesen Vorgang nennt man „Anschwänzen“. Die Wassertemperatur des Nachgusses
sollte um 78-79 °C sein, um folgende Funktionen zu erfüllen: 1. Enzymatische Restaktivitäten der
α-Amylase, die ab 80 °C definitiv inaktiviert wird gerade noch zu ermöglichen, um evtl. herausgelöste
Stärke zu spalten, 2. Verhinderung der Lösung von zu vielen kratzig-bitteren Gerbstoffen.
1.3.4. Kochen der Würze, Whirlpoolen und Kühlen
1.3.4.1. Kochen
Das Kochen der Pfannevollwürze hat verschiedenste physikalische, chemische und mikrobiologische
Auswirkungen:
- Wasserverdampfung –> Stammwürze und Ausbeute festlegen.
- Austreiben unerwünschter Aromastoffe, z.B. Dimethylsulfid (–> Fehlgeschmack).
- Inaktivierung der Malzenzyme –> sämtliche enzymatischen Reaktionen werden gestoppt.
- Bildung aromaaktiver und farbaktiver Produkte.
- Absenkung des pH-Wertes –> leichtere Inaktivierung der Mikroorganismen.
- “Sterilisierung” bzw. Teilentkeimung der Würze: ab 60 °C sterben die meisten Bakterien schon ab.
Einige Keimarten und Pilzsporen überleben Temperaturen an die 90 °C. Wasser von 80 °C während 30 min tötet 99.9 Prozent der vegetativen Bakterien, Hefen und Schimmelpilze ab (= stoffwechselaktive und vermehrungsfähige Form der Mikroorganismen). Bei 100 °C beträgt die Einwirkungszeit noch 5 min. Bakteriensporen, insbesondere Endosporen sind allerdings wesentlich widerstandsfähiger und benötigen höhere Temperaturen und längere Einwirkungszeiten. So überleben z.B. die Sporen der braurelevanten Termobakterien, schnell wachsende gramnegative Stäbchen, die bei längerer Wartezeit der Würze nach dem Kochen bis zur Hefe-Anstellung wachsen können. Sie rufen einen sellerieartigen Fehlgeschmack hervor.
1.3.4.2. Whirlpool
Etwa 10 min nach Kochende haben sich die “Wallungen” der Würze (Konvektionsbewegungen) beruhigt und wird mittels whirlpoolen wieder in eine rasche Drehbewegung versetzt. Die Temperatur bewegt sich von ≤100 °C bis 80 °C. Dabei laufen allerdings bei hopfenbetonten Bieren mit grossen und späten Hopfengaben Nachisomerisierungen ab, die zur Verstärkung der Bittereinheiten führen können. Eine Veränderung der üblichen Reihenfolge ➀ Kochen –> ➁ Whirlpoolen –> ➂ Würze kühlen –> ➃ Abziehen über Filter (z.B. Milchsieb, Hopfenseien-Filter [Monofilament-Filter] in Kochen –> Würze kühlen –> Whirlpoolen bzw. nur Absetzen lassen –> Abziehen umgeht diese Bitterkeitsverstärkung, ebenso Oxidationsprozesse von Inhaltsstoffen bei längerer Abkühlungsdauer.
1.3.4.3. Abkühlen
Das Kühlen der gekochten und gehopften Würze auf die erforderliche Anstelltemperatur von 5-8 °C für die klassische Untergärung und auf 12-20 °C für die Obergärung soll möglichst rasch erfolgen, um Oxidations- und Isomerisierungsvorgänge möglich gering zu halten und die Kontaminationsgefahr durch Mikroorganismen in und ausserhalb der Anstellwürze zu minimierten. Ab Temperaturen unter 40 °C steigt die Kontaminationsgefahr durch unerwünschte mikrobielle Bierschädlinge deutlich.
Ein weiterer Zweck der Kühlung besteht in der Ausscheidung des Heisstrubs (syn. Kochtrub), dessen relativ grosse Partikel von 0.5-500 μm (Durchschnitt 55 μm) durch Sedimentation und Filtration leichter abtrennen lässt als der Kühltrub mit einer Teilchengrösse von nur 0.5-1 μm, der bei Temperaturen von 70-55 °C in Erscheinung tritt.
Abb. 6. Anschwänzen.
Herauslösen der nach dem Abläutern der Vorder-würze noch im Treber verbliebenen löslichen Extraktreste mit 78 °C heissem Brauwasser (Nachgüsse).
1.4. Temperaturführung während Hauptgärung und Beeinflussung des gesamten Gärungsprozesses
Die Temperatur der Bierwürze in jeder Phase hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Hefestoffwechselaktivitäten. Die Temperaturführung ist ein ganz entscheidender Faktor eines erfolgreichen Gärungsprozesses.
1.4.1. Hefeanzucht (Starterkultur)
Die Vermehrung von Hefe mittels einer Starterkultur hat einige Vorteile, sowohl für Flüssigkulturen
(–> mehr Hefestämme verfügbar, allerdings teurer –> Vermehrung auf optimale Anstelldichte je nach
gewünschtem Anstellvolumen) als auch Trockenhefen (–> z.T. Revitalisierung der hydratisierten Hefen).
1.4.1.1. Rehydratisierung von Trockenhefe
Trockenhefe aus Kühlschrank zunächst auf Raumtemperatur bringen. Rehydratisierung: optimal in warmem,
gekochtem oder autoklaviertem Wasser, bei einer Temperatur von ≤41 - 35 °C einstreuen und Alehefen
(obergärig) bei 25 - 30 °C, Lagerhefen (untergärig) bei 21 - 25 °C und zugedeckt ca. 15 min warten. Optimal:
auf die Temperatur der Anstellwürze justieren.
Die empfohlenen Temperaturen variieren leicht je nach Autor und Hefeproduzenten. Detailliertere
Anweisungen sind hier auf dieser Website unter “Mikrobiologisches Braulabor” > Handlingtipp Nr. 8:
Rehydrierung von Trockenhefen” (hier) und “Braulabor 20 Hefestarter: Anzucht der Anstellhefen” (hier)
zu finden.
1.4.1.2. Startermedium
Herstellung eines Startermediums: cf. “Braulabor 20 Hefestarter: Anzucht der Anstellhefen” (hier).
Starterlösung: Temperatur auf ca. 18-24 °C bringen (guter Mittelwert 22 °C ), Lagerhefe evtl. im eher
unteren Temperaturbereich, Ale-Hefen eher im oberen Temperaturbereich inkubieren.
Zur Beimpfung/Anstellung einer zweiten Starterkultur (oder Folgestarterkultur) oder der sterilen
belüfteten Anstellbierwürze sollte die Starterkultur um mindestens ± 3 - 6 °C der Temperatur der
2. Starterlösung bzw. der Anstellwürze (Anstelltemperatur) sanft angeglichen werden.
1.4.2. Phase 1: Hefezugabe (Anstellung) in Anstellwürze und Angärung
Die Anstelltemperatur übt einen grossen Einfluss auf den gesamten Gärverlauf und das Aromaprofil aus.
Da die Hefezellzahlen nach der Anstellung häufig noch gering sind und die Zellen gestresst, neigen sie zur
Bildung vieler unerwünschtster Gärungsnebenprodukte. In der einige Stunden dauernden Angärphase, bei
der die Hefen ihren Stoffwechsel auf die neuen Umweltbedingungen (Würze mit vorhandenen Zuckern und Nährstoffen) anpassen und von aussen erste Aktivitäten beobachtet werden können, bauen die Hefen nach der Glycogenmobilisierung und Synthese der Zellmembrankomponenten (cf. diese Website hier) primär Hexosen (Glucose und Fructose) und Saccharose (Haushaltzucker) ab.
Die Anstellwürze muss zwingend genügend abgekühlt sein und darf niemals 27 °C übersteigen.
Die Anstelltemperatur soll der vorgesehenen Hauptgärungstemperatur oder leicht darunter liegen,
etwa 1-2 °C:
-
untergärige Hefen: ausreichende Zellzahl, kalt genug, 1-2 °C unter Gärtemperatur, mit Gärungswärme
auf gewünschte Hauptgärtemperatur i.d.R. 10-13 °C ansteigen lassen.
Beispiel: Lallemand LalBrew® Diamond Lager Yeast, Zellzahl (18 Mio. Zellen/mL), Starttemperatur
10 °C, 12-15 °C Hauptgärtemperatur 12-15 °C (Info).
-
obergärige Hefen: Beispiel: White Labs WLP001 California Ale Yeast® (Info), Zellzahl (10 Mio. Zellen/mL
bei 1.050-1.065 SG), Anstelltemperaur 18-20 °C, Hauptgärtemperatur 20-23 °C.
Als Richtwerte für optimale Gärungstemperaturen gelten:
Ale-Hefen (obergärig): 18 - 21 °C
Wheat-Belgian (obergärig): 20 - 26 °C
Lager (untergärig): 10 - 13 °C.
Als Faustregel kann festgehalten werden, dass Anstellen bei zu kalten Temperaturen bei Hefen einen Stressstoffwechsel
auslöst, der ein starkes Hefearoma zur Folge haben kann.
Die Temperaturangaben variieren leicht von Hefestamm zu Hefestamm. Es empfiehlt sich daher, die grundlegenden
Informationen über den jeweiligen Hefestamm vorher einzuholen.
• Wyeast: Yeast strains for Beer, z.B. Stamm: 1007 German Ale™ Info,
• White Labs: Yeast bank, z.B. Stamm: WLP800 Pilsner Lager Yeast Info.
• Lallemand: Brewing Yeast, z.B. Stamm: LalBrew® Wit Belgian Wit-Style Ale Yeast Info.
• Fermentis: You create beer?, z.B. Stamm SafAle™ WB-06 Info.
• Mangrove Jack’s: Craft Series Yeasts – Beer, z.B. Stamm M20 Bavarian Wheat Yeast Info.
• Gozdawa: Yeasts, z.B. Stamm Belgian Beer Yeast Info.
• Brewferm: dried yeast, z.B. Stamm Brewferm Lager Info.
• Brau-Partner: Zymoferm, z.B. Stamm Zymoferm TYP KÖLSCH Flüssighefe og Info.
• Für eine rasche Übersicht: Brouwland-Info.
1.4.3. Phase 2 der Hauptgärung: Starke Vermehrung der Hefezellen
Nach der Angärung folgt eine Phase der starken Hefezellenvermehrung, sichtbar als Hochkräusen: es bildet sich Schaum und im Gärröhrchen blubbert es kräftig. Das Hochkräusen dauert an, solange die Sterin- und Lipidreserven der Hefen ausreichen, um Tochterzellen zu bilden. Dies kann an der Zahl der Hefezellen festgestellt werden (aufwändige Bestimmung) oder ganz einfach am Nachlassen der Kohlenstoffdioxidbildung CO2 und dem dadurch bedingten Rückzug der schaumigen Kräusen ins Bier (fallende Kräusen: bräunlich-schmutziges Aussehen) sowie der Ausflockung der Hefen.
Abb. 7. Hefestarterkultur in 1-Liter-Erlenmeyerkolben auf Magnetrührer.
Mehr Info hier.
Abb. 8. Untergärige Trockenhefen.
Abb. 9. Obergärige Flüssighefe.
Diese Hauptgärphase, bei welcher der grösste Teil der Fermentation (ca. 98 %) stattfindet,
dauert 1 bis 3 Tage bei obergärigen Hefen und 2 bis 5 Tage bei untergärigen Hefen.
Während dieser intensiven Gärphase wird aufgrund der Gärung
C6H12O6 + 2 ADP + 2 P → 2 CO2 + C2H5OH + 2 ATP + Wärmeenergie
viel Energie an das Umgebungsmedium abgegeben, was im Innern des Gärbehälters zu
einem deutlichen Temperaturanstieg führen kann (mehr als 5 °C über dem empfohlenen
Temperaturbereich). Diese Zusatzwärme kann eine zu kräftige Gärung auslösen und den
Geschmack des Bieres durch zahlreiche Gärungsnebenprodukte negativ beeinflussen.
Dies stellt zudem ein messtechnisches Problem dar: wo soll die Temperatur gemessen
und geregelt werden - Umgebung (Standorttemperatur) oder in der Würze? Wenn ein
elektronischer Temperaturregler zur Steuerung der Gärtemperatur und ein Flüssigkeits-
temperatursensor zur Verfügung steht, kann der optimale Sollwert so eingestellt werden,
dass er nicht mehr als 1 °C unter diesen Sollwert abkühlt.
Während der Gärung sollte zudem die Gärtemperatur niemals sinken.
Aber auch zu hohe Temperaturen, Abweichung von etwa bis zu 5 °C können die Bildung von
Fehlaromen auslösen. Während beispielsweise Acetaldehyd und Diacetyl (cf. diese
Website hier) von der Hefe selbst abgebaut werden, bleiben Fuselalkohole (Begleit-
alkohole, z.B. Butanol, Hexanol, Isoamylalkohol, Isobutylalkohol, Pentanol, Propanol),
die zu einem lösungsmittelartigen Geruch führen sowie eine übermässige Esterbildung
(z.B. Essigsäureisobutylester, Essigsäureisopentylester, Buttersäureethylester) zu einem
u.a. Bananen-, Apfel- oder Kaugummigeschmack. Eine Zusammenstellung unter
Berücksichtigung der Temperatureinwirkung auf die Bildung typischer Gärneben-
produkte findet sich in Abb. 10. Die Bildung dieser das Bieraroma beeinflussenden
Produkte hängt von zahlreichen Faktoren ab, nicht nur von der Temperatur. Eine gute
Zusammenfassung liefert Brücklmeier (2018, S. 212). Diese Fehlnoten werden während
der nachfolgenden Reifungsphase nicht mehr abgebaut.
Abb. 10. Gärnebenprodukte und Beeinflussung deren Bildung durch die Temperatur. [Quelle: Brücklmeier, 2018, mod.]
1.4.4. Phase 3 der Hauptgärung: Reifung I (Konditionierung)
Das noch “grüne” Bier geht in der Schlussphase der Gärung einen Reifungsprozess durch, in dem unerwünschte Gärungsnebenprodukte abgebaut werden. Allerdings sind die Hefen nicht mehr sehr aktiv und flocken aus. Aufschütteln kann ein wenig helfen. Besser ist jedoch eine Aktivitätssteigerung durch Erhöhung der Temperatur gegen Ende der Gärung, durch die sog. “Diacetylrast”. Sobald die CO2-Gasbläschenbildung im Gärröhrchen nachlässt, bei obergärigen Hefen nach etwa am 3. Tag, bei untergärigen Hefen etwa am 4. Tag (bzw. sobald die Hauptgärung zu ca. 2/3 abgeschlossen ist), sollte die Gärtemperatur um 5 °C bis 10 °C erhöht werden (pro Tag maximal 6 °C). Ein guter Indikator ist der Extraktgehalt, der in SG-Einheiten nur noch 2 - 5 SG-Punkte vom Restextrakt abweichen sollte (cf. Abb. 11). Diese Rast sollte etwa 4 Tage bis eine Woche dauern.
Die Diacetylrast ist typisch für Lagerbiere, sie kann aber auch bei Alebieren angewendet
werden.
Der Übergang von der Reifung zur Nachgärung ist nicht scharf trennbar, beide
Prozesse laufen mehr oder weniger parallel ab. Die Reifung läuft beim Heimbrauen
bei einer Flaschenabfüllung in der “Flaschen-Nachgärung” weiter.
Abb. 11: Richtlinien für die Diacetylrast.
[Quelle: Palmer, 2019, S. 120].
1.4.5. Schlauchen (Flaschenabfüllung), Nachgärung und Reifung II (Schlussreifung), Kaltlagerung
Die Nachgärung beginnt nach dem Abfüllen des Jungbieres in Flaschen. Die Fermentation von normal-starken obergärigen Bieren ist nach 2 bis 3 Wochen nach dem Anstellen meist vollständig abgeschlossen (untergärige Lagerbiere benötigen etwa 3 bis 4 Wochen). Eine genaue Kontrolle des SG-Wertes zur Bestimmung, wann das Jungbier schlauchreif ist, ist zwingend: die Abnahme des Extraktgehalts bei untergärigem Ansatz sollte innerhalb von 24 Stunden nur mehr 0.3 bis 0.4 GG% (SG) betragen, bei obergärigem Ansatz 0.3-0.4 GG% innerhalb der letzten 8 Stunden!
Bsp.: Weizenbier Spindelwert [GG%] 4.1 –> nach 8 h 3.7 bzw. [SG] 1.016 –> 1.014/ Deutsches Pils [GG%] 3.2 –> nach 24 h 2.9 bzw. [SG] 1.013 –> 1.011.
Die “Nachgärung” oder “Sekundärgärung” ist eine kontrollierte Restgärung mit genau berechnetem und zudosiertem Zucker- bzw. Extraktgehalt (Speise = unvergorene Würze). Das wiederum aus dem Zuckerabbau resultierende Gas Kohlenstoffdioxid CO2 kann aber nicht mehr entweichen, muss sich im Bier lösen und erzeugt somit die Karbonisierung, das frische prickelnde Bier. Neben der Karbonisierung ist ebenfalls der weitere Abbau der Gärungsnebenprodukte entscheidend.
Die Menge an Zucker für die bierstiltypische Karbonisierung (Bsp. europäische Lagerbiere: 2.2-2.7 Liter CO2/1 L Bier, bayrisches Weizenbier 3.3-4.5 Liter CO2/1 L Bier) benötigt wird, ist abhängig vom zum karbonisierendem Gesamtbiervolumen (z.B. 20-L-Ansatz), der Temperatur des endvergorenen Biers (–> Restmenge an CO2 im Jungbier), der Lage des Braukellers (Meereshöhe), dem Karbonisierungsgrad der Zuckerart (z.B. Haushaltzucker [100%], Speise, Glucose [91%], brauner Zucker [95%], Flüssigmalzextrakt [80%], Honig [80%]). Zur Berechnung der erforderlichen Zuckermenge gibt es Rechner auf dem Internet (z.B. ), Berechnungsverfahren in Heimbrauerfachbücher (z.B. Brücklmeier, 2018, S. 219 ff.) oder Tabellen in Fachbüchern (z.B. Palmer, 2019, S. 200 ff.).
Nachgärung: Die verschlossenen Bierflaschen werden i.d.R. etwa 2 Wochen lang bei 20 - 30 °C, also der Hauptgärtemperatur gelagert, damit sie vollständig karbonisieren und endreifen können.
Kaltlagerung: Anschliessend sollten die Bierflaschen 2 bis 3 Wochen kühl gestellt werden, z.B. 7 - 0 °C, was eine Oxidation der Bierinhaltsstoffe mit der damit einhergehenden Geschmacksinstabilität deutlich verlangsamt und das Bier länger halten lässt. Ein bei Zimmertemperatur von 25 °C gelagertes Bier hält viermal weniger lang als ein im Kühlschrank bei 5 °C gelagertes Bier! Ideale Lagertemperatur für Biere ist der Temperaturbereich zwischen 0 bis 4 °C, mit möglichst wenig Bewegung, kein Licht und aufrecht stehend.
Untergärige Biere: Gärungs- und Reifungsphase abgeschlossen, Kaltlagerung durch schrittweises Absenken der Temperatur um ≤ 6 °C pro Tag auf ca. 2 °C (Vermeidung Temperaturschock --> Fehlgeschmack sowie Beeinträchtigung Schaumhaltbarkeit).
Die Lagerzeit beträgt bei Lager- und bei Pilsener Bieren zwischen 2 bis 4 und 4-8 Wochen; bei Exportbieren 6-12 Wochen. Schwächer gehopfte und helle Starkbiere benötigen 2-3 Monate Lagerzeit. Festbiere werden oft 3-6 Monate gelagert. Sie gewinnen hierdurch ein besonders angenehmes, blumiges Aroma.
Heimbrauer können jedoch ein verkürztes Verfahren von 1 bis 2 Wochen anwenden, sofern eine Flaschennachgärung zur Karbonisierung geplant ist. Die Karbonisierung sollte bei Raumtemperatur, also bei 18 - 24 °C erfolgen, also nicht bei der Gärtemperatur des Lagerbieres! Nach der Karbonisierung muss das Bier nicht mehr kaltlagern, sondern einfach kühl oder kalt gelagert werden, um eine höhere Geschmacksstabilität zu erzielen.
Kaltlagerung zuhause: Trinkfertiges, ausgereiftes Bier und käuflich erworbenes Bier sollte nicht unter 4 °C gelagert werden, damit es nicht zu einer Kältetrübung kommt. Diese Trübung verschwindet zwar wieder, wenn das Bier etwas wärmer wird, und hat keinen Einfluss auf die Qualität des Bieres. Die optimale Trinktemperatur liegt zwischen 8 °C und 10 °C. Eine genauere Betrachtung zur optimalen Biertrinktemperatur folgt unter 5.1 “Trinktemperatur”.
1.4.6. Gärverläufe
Zur Kontrolle der unerwünschten Gärnebenprodukte haben sich verschiedene Gärverläufe etabliert.
1.4.6.1. Untergärige Verfahren
1.4.6.1.1. Untergärig: Kalte Gärung - kalte Reifung (Abb. 12)
Kalte Gärung und kalte Reifung ist das traditionelle Verfahren bei untergärigen Bieren.
Prinzip: kalte Gärungsführung –> weniger Gärnebenprodukte, kalte Reifung –> langsamer bis
schleppender Abbau der Nebenprodukte, Jungbukettstoffe werden nur unzureichend abgebaut.
Temperaturverlauf: Anstelltemperatur-Richtwert 6-8 °C (Hefeproduzenten-Richtwert
konsultieren, 2 °C darunter starten!) + Gärungswärme –> um 2 °C in etwa 2 bis 3 Tagen
auf 8 - 10 °C ansteigen lassen –> diese Temperatur während 2 Tage halten –> anschliessend
über 2 Tage wieder absenken auf 6-8 °C –> bei gewünschtem Restextraktwert (ca. 1.3-1.5
GG% über dem FG [= Final Gravity]) Jungbier mittels automatischem Heber in entkeimten
Behälter umschlauchen (d.h. Hefen als Geläger abtrennen) –> Abkühlung für Reifung auf
5 - 6 °C –> bei über 72 h konstanter Restextraktkonzentration auf 0 bis - 1 °C abkühlen
und 1 Woche reifen und klären lassen.
Vor Flaschenabfüllung vollständig kontrolliert ausgären lassen und dann Karbonisierungs-
extrakt/ bzw. Zucker berechnen und zugeben (siehe Kap. 1.4.5. Schlauchen hier). Weiter
wie im Abschnitt Kaltlagerung.
Im höchst empfehlenswerten Buch von Brücklmeier (Info) sind mehrere Verlaufsdiagramme
der optimalen verschiedenen Gär- und Reifungsverläufe wiedergegeben.
1.4.6.1.2. Untergärig: Kalte Gärung - warme Reifung (Abb. 13)
Prinzip: kalte Hauptgärungsführung –> weniger Nebenprodukte wie Diacetyl, warme Reifung –> Diacetylrast: Jungbukettstoffe vermehrt abgebaut, insbes. das markante Diacetyl.
Abb. 12. Temperatur-Verlaufsdiagramm untergäriger Gärverlauf kalte Gärung - kalte Reifung.
GG%: Extrakt in Gewichtsprozent; SG: US Spezifische Dichte. Umrechnung GG% <--> SG hier (Tabelle) oder hier (Rechner).
[Quelle: nach Brücklmeier, 2018, mod.]
Temperaturverlauf: Hefe bei 6 - 8 °C anstellen –> mit Gärungswärme nach 1 bis 2 Tagen auf 8 - 10 °C lassen und dann halten –> bei ca. der Hälfte der erreichbaren FG (Bsp. Pils OG 1.047/ 11.7 °P –> 1.028/ 7.1) –> Kühlung abstellen und Temperatur auf 12-13 °C steigen lassen –> erreicht GG% einen Wert von 1.5-1 GG% über dem FG-Wert –> drucklos weiter vergären bis Restextrakt während 72 Std. konstant bleibt –> berechnete Speise- bzw. Zuckermenge dazu geben –> schlauchen und auf 0 bis 1°C kühlen –> Reifung während 1 - 2 Wochen –> Temperatur auf 6 - 8 °C anheben. Anschliessend weiter wie in Kap. 1.4.5. Schlauchen (Nachgärung, Kaltlagerung) hier.
1.4.6.1.3. Untergärig: Warme Gärung - warme Reifung (Abb. 14)
Warme Gärung und warme Reifung bewirken vor allem eine schnellere Gärung, aber dafür deutlich mehr Gärnebenprodukte, die aber wieder abgebaut werden. Dieses Verfahren eignet sich aber nur für untergärige Hefen, die eben relativ wenig Bukettstoffe bilden.
Temperaturverlauf: Hefe bei 8 °C anstellen in gut belüfteter Würze –> mit Gärungswärme die ersten 2 Tage auf 12 - 10 °C kommen lassen --> bei Extraktgehalt von 1.5-2.0 GG% über dem FG-Wert Jungbier mit automatischem Heber in entkeimten Behälter von Hefen (Geläger) abtrennen und drucklos während 5 Tagen weiterhin bei 12 - 10 °C vergären bis Restextrakt während 72 Std. konstant bleibt –> auf Diacetyl verkosten --> wenn diacetylfrei innerhalb von 2 Tagen auf 0 bis -1 °C abkühlen --> berechnete Speise- bzw. Zuckermenge dazu geben und in Flaschen abfüllen (siehe auch hier)
Abb. 13. Temperatur-Verlaufsdiagramm untergäriger Gärverlauf kalte Gärung - warme Reifung.
GG%: Extrakt in Gewichtsprozent; SG: US Spezifische Dichte [Quelle: nach Brücklmeier, 2018, mod.]
Abb. 14. Temperatur-Verlaufsdiagramm untergäriger Gärverlauf warme Gärung - warme Reifung.
GG%: Extrakt in Gewichtsprozent; SG: US Spezifische
Dichte. [Quelle: nach Brücklmeier, 2018, mod.]
Abb. 15. Temperatur-Verlaufsdiagramm obergäriger Gärverlauf "kalte" Gärung - kalte Reifung.
GG%: Extrakt in Gewichtsprozent; SG: US Spezifische Dichte [Quelle: nach Brücklmeier, 2018, mod.]
1.4.6.2. Obergärige Verfahren
Viele obergärige Hefestämme sind wahre Aromaproduzenten, bei den höheren Gärtemperaturen von über 25 °C wird dieser Effekt noch verstärkt. Bei obergärigen Bieren bedeutet kalte Gärung etw 12 bis 14 Grad, warme Gärung hingegen etwa 15 bis 25 Grad.
1.4.6.2.2. Warme Gärung
Weissbiere deutscher und belgischer Provenienz sind typische Bierstile, bei
denen das Hefearoma ausgeprägt sein darf.
Temperaturverlauf: Anstelltemperatur 12-15 °C, Endvergärung bei 15-25 °C,
meist aber zwischen 16-26 °C.
Nachgärung/Reifung nach Speise- oder Zuckerzugabe meist als Flaschengärung.
1.4.6.2.1. Kalte Gärung (Abb. 15)
Nur wenige obergärige Hefen können eine kalte Hauptgärung verkraften. Dazu gehören z.B. Kölschhefen, Altbierhefen und Nottingham-Hefen.
Temperaturverlauf: Anstelltemperatur 11-13 °C (meistens 1-2 °C unter niedrigster Hefeproduzentangabe) –> durch Gärungswärme auf Mindesttemperatur ansteigen lassen –> vergären bis Hochkräusen abklingen –> Diacetylabbau: Termperaturanstieg innerhalb von 1 Tag auf 20 °C –> weitere 2 Tage auf 20 °C –> auf 5 °C abkühlen –> bei 72 h konstanter Restextraktkonzentration mit Speise bzw. Zucker versetzen und in Flaschen abfüllen.
Abb. 16. Temperatur-Verlaufsdiagramm obergäriger Gärverlauf warme Gärung - warme Reifung.
Das ist eine typische Gärführung für die meisten Ale-Biere.
GG%: Extrakt in Gewichtsprozent; SG: US Spezifische Dichte.
[Quelle: nach Brücklmeier, 2018, mod.]
1.5. Weitere Temperatureinflüsse
1.5.1. Trinktemperatur
Die Temperatur des Gerstensafts hat einen grossen Einfluss auf den Geschmack und
das Trink-Erlebnis. Da jeder Bierstil sein Aroma zu einer anderen Temperatur entfaltet,
gibt es keine allgemein gültige Faustregel.
Je kälter das Bier ist, desto weniger schmeckt man es. Biere mit höherem Alkoholgehalt
schmecken bei höherer Temperatur besser.
Eiskalt: 1.5 – 4 Grad Celsius: massenproduzierte Biere, leichte Biere und Biere mit
niedrigem Alkoholgehalt. Man sollte diese Biere eiskalt trinken, um die malzigen
Aromen nicht übermässig zu betonen und die leichte, erfrischende Bitterkeit nicht
aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Kalt: 4 – 7 Grad Celsius: Pils und Weizenbiere, vollmundige Lagerbiere, Saisons.
Kühl: 7 – 10 Grad Celsius: vollmundige Biere wie American Pale Ales, IPA’s, Porter
und die meisten Stouts.
Kellertemperatur bis Raumtemperatur: 10 – 15 Grad Celsius: Belgische Starkbiere,
saure Biere, englische Bitter und Milde, imperial Stouts und Doppelbocks.
Abb. 17. Optimale Bier-Trinktemperatur.
Weitere Temperaturvorschläge zu zahlreichen Biersorten findet man unter Beerwulf > Biersorte anklicken und nach oben scrollen: Serviervorschlag.
1.5.2. Lagertemperaturen von Bierrohstoffen (Malz, Hopfen, Hefe)
Malz: Ungeschrotetes Malz ist unter fortgeschrittenen Bierbrauern sehr beliebt. In geschlossenem Behälter luftdicht, trocken und höchstens bei Zimmertemperatur, besser kühl gelagert, ist es bis zu zwei Jahre lagerfähig. Ungeschrotetes Malz sollte in Säcken oder Eimern aus Kunststoff gelagert werden. Geschrotetes Malz sollte spätestens nach einer Woche verbraucht oder kühl, trocken und luftdicht maximal ein halbes Jahr gelagert werden.
Hopfen: Die Lagerung von Hopfen ist auf dieser Website unter Hopfen > 4.4. Lagerung von Hopfen detailliert beschrieben.
Einige Hinweise dazu:
- ideale kommerzielle Lagerbedingungen gemäss WFLO: Temperatur -4.5 bis - 2.2 °C.
- bei frischem Hopfen: mit Vakuumiergerät in speziellen datumsbeschrifteten Vakuumierbeuteln vakuumieren, anschliessend bei ca. -18 °C tiefgefrieren.
- bei getrocknetem Hopfen: wie bei frischem Hopfen vakuumieren, anschliessend im Kühlschrank (4 - 6 °C ) oder besser in Tiefkühltruhe in separater Kammer
aufbewahren (Verminderung evtl. Geruchsübertragung Hopfen <–> Lebensmittel).
- Hopfenpellets: ebenfalls sauber vakuumiert bei Zimmertemperatur, besser in einem gut verschliessbaren Glasbehälter im Kühlschrank (4 - 6 °C ) oder
besser in der Tiefkühltruhe < -18 °C aufbewahren.
Hefen: Die Haltbarkeit von Hefen hängt von der Form (Flüssighefen oder Trockenhefen) und den Lagerbedingungen ab. Detaillierte Informationen finden sich unter “Mikrobiologisches Braulabor II” > Braulabor 25 “Haltbarkeit/ Aufbewahrung von Hefen” –> pdf-Dokument “Aufbewahrung und Haltbarkeit von Hefen ” hier.
Kommerzielle Hefen:
- White Labs Flüssighefen: PurePitch-Packung: ca. 1/2 Jahr haltbar bei 1 - 4 °C
- Wyeast Flüssighefen: Smack-Pack Activator System: ca. 1/2 Jahr haltbar bei 1 - 4 °C
- Trockenhefen Fermentis, Lallemand u.a.: gekühlt 1 - 4 °C bis 3 Jahre.
1.6. Fazit: Zusammenfassende Betrachtung der Erfolgsfaktoren für gutes Bier
Die beiden wichtigsten Faktoren zu “erfolgreich Bier brauen” sind einerseits Hygiene und andrerseits Temperaturführung beim Brauprozess und der Gärung.
Die Temperatur beeinflusst sowohl die
Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen,
primär durch höhere Teilchengeschwindigkeiten
und dadurch häufigeres und intensiveres
Zusammenprallen und daraus resultierender
Umsetzungsreaktionen als auch durch
Beeinflussung der Enzymaktivitäten. Enzyme
arbeiten in einem engen Temperaturbereich
optimal und mit maximaler Umsetzungs-
geschwindigkeit. Über einer bestimmten
Temperatur werden sie inaktiviert, d.h. sie
verlieren ihre Funktionstüchtigkeit.
Diese Erkenntnisse haben im eigentlichen
Brauprozess zu den spezifischen “Rastphasen”
geführt, also enzymspezifische Temperaturbereiche,
wo sie rastlos mit optimaler Geschwindigkeit ihre
biochemischen Reaktionen ausführen, die dann
letztendlich zur Anstell-Bierwürze führen.
Fazit Temperaturführung Gärung: Generell gilt, dass die Gärtemperatur bevorzugt am unteren Ende der vom Hefeproduzenten empfohlenen Bandbreite des jeweiligen Hefestammes bewegen sollte. Eine kühlere Gärführung führt zu höherwertigen Ergebnissen als eine wärmere, bei der mehr Fuselalkohole entstehen.
Abb. 18. Brauprozesse mit Rastphasen und verantwortliche Hauptenzyme.
Grüne Kästchen: beteiligte Enzyme. Lesebeispiel Maltasen: optimaler Temperaturbereich 30-45 °C, 50 °C durchgestrichen Inaktivierungstemperatur.
Blaue Kästchen: Hauptrastphasen. [Quelle: in Anlehnung an Brücklmeier, 2018]
In US-Hobbybraupublikationen wird fast immer mit einer sogenannten Kombirast gebraut (single infusion mash, Info). Das ist eine Temperatur genau zwischen dem Wirkoptimum der Alpha- und Beta-Amylasen. Dadurch wirken beide Enzyme gleichzeitig.
Vereinfachend kann gefolgert werden, je mehr die Rast auf der Seite der Beta-Amylase liegt, desto trockener wird das Bier, je mehr es auf der Seite der Alpha-Amylase liegt, desto vollmundiger wird das Bier. Eine typische Kombirast-Temperatur ist 67 °C, wodurch das Bier weder übermässig trocken noch übermässig süss wird.
Die anschliessende Vergärung der Bierwürze durch Hefen ist ebenso temperaturgesteuert.
Abb. 19. Kombirast, auch Diastaserast.
Enzymaktivitäten und Würzezusammensetzung als Funktion der Temperatur.
Der Temperaturbereich, in dem beide Amylasen aktiv sind, nennt man auch Diastasebereich (meist zwischen 65 - 70 °C).
Diastase [von griech. diastasis = Spaltung], veraltete Bezeichnung für β-Amylase. Diastatische Enzyme: alle Enzyme, die Stärke zu Zucker abbauen können. [Quelle: Palmer et al., mod.]
Literaturangaben/Quellen
Bücher (Fachliteratur)
Annemüller, G., Manger, H.-J. Gärung und Reifung des Bieres. Grundlagen. Technologie. Anlagentechnik. 3. Aufl. (2020). VLB Berlin.
Annemüller, G., Manger, H.-J., Lietz, P. Die Hefe in der Brauerei. Hefemanagement. Kulturhefe - Hefereinzucht. Hefepropagation im Bierherstellungsprozess. 4. Aufl.
(2020). VLB Berlin.
Brown, T.L., LeMay, H.E., Bursten, B.E, Chemie. Die zentrale Wissenschaft. 10. Aufl. (2007). Pearson Studium, München.
Brücklmeier, J. Bier Brauen. Grundlage, Rohstoffe, Brauprozesse. 1. Aufl. (2018). Eugen Ulmer, Stuttgart.
Kunze, W. Technologie. Brauer & Mälzer. 11. Aufl. (2016). VLB Berlin.
Narziss, L., Back, W., Gastl, M., Zarnkow, M., Abriss der Bierbrauerei. 8. Aufl. (2017). Wiley-VCH Verlag, Weinheim.
Palmer, J.J. erfolgreich Bier brauen. Ein Ratgeber für Anfänger und Fortgeschrittene. 1. deutsche Aufl. (2019). Mobiwell Verlag, Immenstadt.
Internet
Bierspindel Viktor. Wie funktioniert das Maischen? - Die Theorie: Artikel.
Brew Recipe Developer: Computerprogramm.
BYO Staff. Fermentation Temperature Control: Tips from the Pros: Artikel.
Doss, G., Wyeast Laboratories Inc. Exploring Attenuation: pdf-Präsentation.
Fermentation Temperature Control for Homebrew: Video.
Kraftbier0711, Das Maischen: Artikel.
Palmer, J. Temperature Factors: Buchauszug.
Staudt, A. Auswahl eines Maischverfahrens: Artikel.
weitere Literatur hier
2. Der pH-Wert im Brauprozess, bei Gärungen und im Bier
2.1. Einführung
2.2. Kurze Repetition “Grundwissen Säuren, pH-Wert und Enzyme”
2.2.1. Säuren und pH-Wert
2.2.2. pH-Wert und Enzyme
2.3. Wasser, pH-Wert und Brauprozess
2.3.1. Einführende Bemerkungen
2.3.2. Das Brauwasser
2.3.3. Brauwasseraufbereitungen:
2.3.3.1. Einfaches Verfahren: Korrektur des pH-Wertes durch Zugabe
von Milchsäure oder Salzmischungen
2.3.3.2. Aufwändigeres Verfahren: Einstellung der Restalkalität des
Brauwassers durch Aufsalzung
2.3.4. Einstellung des Maische-pH-Wertes durch die Malzsorten
2.3.5. Brauprozess 1: Maische, Abläutern, Kochen
2.3.5.1. Maische (inkl. korrekte pH-Messung)
2.3.5.2. Abläutern
2.3.5.3. Kochen (Sud)
2.3.6. Brauprozess 2: Gärung
2.3.7. Hopfenstopfen (Trockenhopfung, Dry hopping) und pH-Wert
2.3.8. Reifung und Lagerung der Biere
2.4. Anzucht/Kultivierung von Hefen in festen und flüssigen Nährmedien
2.5. Schlussfolgerungen und Zusammenfassung/Merkstoff
2. Der pH-Wert im Brauprozess, bei Gärungen und im Bier
2.1. Einführung
“Das Ablesen des pH-Wertes ist in jeder Phase des Brauprozesses wichtig, von Wasser über Maische, Würze, Hefe bis hin zu fermentierendem Bier und fertigem Bier. Ein hoher pH-Wert kann zu Geschmacksverfälschungen und einer schlechten enzymatischen Umwandlung der Maischekohlenhydrate führen. Ein normaler Bier-pH-Wert (4.1 bis 4.6) hemmt bestimmte Organismen, die zum Verderben des Bieres führen können, während ein viel niedrigerer pH-Wert auf eine Infektion durch säurebildende Bakterien hinweisen kann, die zu saurem Bier führt.” ( (Hanna instruments, cf. hier).
Neben der Temperatur ist zweifelsohne der pH-Wert ein zweiter ganz entscheidender Parameter im gesamten Brauprozess, vom Wasser über den Maischeprozess bis hin zum reifenden Bier: 1 Brauwasser/Brauwasserbehandlungen, 2 Enzyme des Maischeverfahrens (cf. unten, Tab. hier), 3 Bierwürze/ Anstellwürze, 4 Fermentation/Gärlösungen, 5 Hefe-Flokkulation, 6 Anzuchtlösungen für Bakterien (Milchsäurebakterien)/Bierhefen, 7 Reifung und Lagerung der Biere. Der US-Bierpabst Brad Smith ("BeerSmith") zählt alleine für die Maische 10 verschiedene pH-Auswirkungen auf (cf. hier)!
2.2. Kurze Repetition “Grundwissen Säuren, pH-Wert und Enzyme”
2.2.1. Säuren und pH-Wert (Info mit Video)
Säuren sind im engeren Sinne alle chemischen Verbindungen, die in der Lage sind, Protonen (H+) an einen Reaktionspartner zu übertragen. Säuren sind also Protonenspender. Im Wasser bilden sich sog. Oxonium-Ionen: (syn., aber veraltet: Hydronium) Säure-H + H2O –>Säure- + H+ + H2O --> H3O+ + Säure-. Protonen H+ treten nicht frei auf, sondern werden immer sofort an die neutralen Lösungsmittelmoleküle H2O zu Oxonium-Ionen H3O+ gebunden.
Beispiel 1: Salzsäure HCl + H2O –> H3O+ + Cl-
Beispiel 2: Milchsäure CH3CHCOOH + H2O –> H3O+ + CH3CHCOO-.
Beispiel 3: Kohlensäure H2CO3 + H2O –> H3O+ + HCO3-
Der Säuregrad, das Ausmass der Stärke einer Säurelösung wird durch die Konzentration der der Wasserstoffionen [H+] bzw. Oxoniumionen [H3O+] bestimmt und wird als negativer logarithmischer Wert festgehalten, als sog. pH-Wert: pH = - log [H+] ≡ - log [H3O+].
Damit diese eher unanschauliche Definition sich für die praktische Nutzung eignet, wurde die pH-Skala eingeführt. Von wem? Von Brauern!! Auszug aus der Carlsberg-Website: “Das wahrscheinlich beste Bier der Welt brauen – eine Kunst ….… oder Wissenschaft? Wir glauben es ist ein bisschen von beidem.
Warum haben wir die pH-Skala erfunden. Um besseres Bier zu brauen.
Das haben wir 1909 bewiesen, als wir beim Streben nach besserem Bier die pH-Skala erfunden haben – heute weltweit ein wissenschaftlicher Standard zur Messung des Säure-Basen-Haushalt einer bestimmten Substanz.
Der Nebeneffekt? Durch die Möglichkeit, den perfekten Säuregehalt des zum Brauen verwendeten Wassers zu messen, konnten wir Bier mit gleichbleibend gutem Geschmack brauen.” Eingeführt hat diese pH-Skala der dänische Chemiker Søren Sørensen 1909 am Carlsberg-Labor [Carlsberg, Info].
Der pH-Wert ist also eine Masszahl, die angibt, wie sauer bzw. basisch eine wässrige Lösung ist. pH < 7 ist sauer und pH > 7 bedeutet basisch. Eine neutrale Lösung, also weder sauer noch basisch, hat den pH 7. Je niedriger der Wert, desto saurer ist die Lösung; Beispiel: pH 6 ist 10x saurer als pH 7 und pH 5 bedeutet eine 10x saurere Lösung als pH 6 und 100x saurer als pH 7. Je grösser als pH 7, desto basischer ist sie; Bsp.: pH 9 ist 10x basischer als pH 8.
Hinweis: Das Kürzel pH stammt aus dem Lateinischen "potentia hydrogenii", was "Konzentration der
Wasserstoff-Ionen" H+ bzw. H3O+ bedeutet.
Der pH-Wert spielt überall im Alltag, im Stoffwechsel der Organismen, bei der Gesundheit des Menschen oder in Industrieprozessen eine ganz entscheidende Rolle. Abb. 2 zeigt einige Beispiele.
Das fertige Bier hat einen pH-Wert von 3.5-4.5 und ist ähnlich sauer wie Orangen-/Apfelsaft und Wein. Deutlich saurer sind Essig (2.5), Cola (2-3) und Zitronensaft (2.4).
Abb. 1. pH-Skala.
Die pH-Skala als Mass des Säuregrades ( (= Konzentration der den Säurecharakter bestimmenden H+-Ionen (= Wasserstoff-Ionen), die aber nie nackt vorliegen, sondern sich immer sofort mit Wasser H2O zu Oxonium-Ionen binden: H3O+.
Die pH-Skala reicht von 0-7 (= stark sauer - schwach sauer), 7 (= neutral) und 7-14 (schwach bis ganz stark basisch bzw. alkalisch). Die Skala ist logarithmisch, d.h. z.B. pH 5 ist 10x saurer als pH 6, Milch mit pH 6 ist 100x schwächer sauer als Coca Cola mit pH 4, und pH 8 ist 10x schwächer basisch als pH 9. [Abb.: Quelle]
Abb. 2. pH und Alltag.
Der pH-Wert spielt im Alltag des Menschen, aber vor allem auch im Körper eine ganz wichtige Rolle: die Enzyme als Stoffwechselkatalysatoren sind ganz stark pH-abhängig. So sind es auch die Maischeenzyme, die ein pH-Optimum von etwa 5.4 bis 5.8 besitzen.
Mehr zum pH-Wert
Weitere Informationen zum pH-Wert: vereinfachend hier
Auf dieser Website:
- MUG-MIKROBRAUEREI > Brauwasser > 2.3. Kenngrösse 2: Der pH-WERT - ein Schlüsselparameter, oder direkt hier.
- MUG-BRAUPROZESSE > Physikalisch-chemisches Braulabor > 3.2. Die Bestimmung des pH-Werts (Säuregrad einer wässrigen Lösung), oder direkt hier
- MUG-BRAUPROZESSE > Physikalisch-chemisches Braulabor > 3.2. Bestimmung pH-Wert mit Indikatoren und pH-Messgeräten (Glaselektroden) > pdf-Anleitung hier
2.2.2. pH-Wert und Enzyme
Bedeutung. Leben als Einzelzelle (Bsp. Mikroorganismen, Hefen) oder Vielzeller (Pflanze, Tier, Mensch) bedeutet Baustoffwechsel und Energiestoffwechsel. Der gesamte Stoffwechsel wird durch spezielle Eiweisse, die Enzyme ermöglicht. Sie führen fast alle chemischen Veränderungen durch, die in einer Zelle passieren, von der Abspaltung eines Wasserstoffatoms z.B. im Energiestoffwechsel bis hin zur Verdoppelung der gesamten Erbsubstanz DNA z.B. bei der Vermehrung der Hefezellen durch Knospung nach dem Anstellen in Bierwürze. Enzyme bestimmen und regulieren den gesamten Stoffwechsel! Sie spalten beispielsweise während der Maische die grossen Stärkemoleküle in kleinere Zuckereinheiten, welche dann von den hefeeigenen Enzymen im Rahmen der alkoholische Gärung weiter zu Zucker, Kohlenstoff-dioxid und Aromastoffen verarbeitet werden.
Abb. 3. Stärkeabbau während der Maische durch die Hauptenzyme der alpha-Amylasen und der beta-Amylasen (stark vereinfacht).
Alpha-Amylasen spaltet die langen Glucoseketten der unverzweigten Amylose und des verzweigten Amylopektins vom innern her in kürzere Ketten mit jeweils zwei Enden. Die beta-Amylasen schneiden sofort von beiden Enden der Spaltstücke Zweiergruppen von Glucose (= Maltosen oder Malzzucker) ab, kommen aber an den 1,6-Bindungen des Amylopektins zum Stillstand.
Wirkungsweise.
Enzyme sind i.d.R. Proteine (Eiweisse), d.h. komplizierte dreidimensionale Gebilde aus verschlauften Amino-säureketten, bestehend aus den 20 verschiedenen Grundbausteinen (Abb. 4, 5). Je nach der im genetischen DNA-Code festgelegten Reihenfolge werden die Aminosäuren aneinander gebunden und ergeben genau definierte 3-dimensionale Strukturen (Abb. 6)
Abb. 4. A: Grundbaustein Aminosäure.
Alle 20 Bausteine der Eiweisse, die Aminosäuren haben den gleichen Bauplan: an einem zentralen C-Atom sind eine Aminogruppe, eine Carboxylgruppe, ein H-Atom und eine je nach Aminosäure verschiedene Seitenkette R angehängt.
B: 2 verschiedene Aminosäuren, 2 aus 20.
Die Aminosäuren Alanin und Leucin unterscheiden sich durch verschiedene Rest- oder Seitengruppen R.
Abb. 5. Proteinaufbau aus 20 verschiedenen Aminosäuren.
Aus dem Grundbausatz von 20 verschiedenen Aminosäuren werden kurze Aminosäureketten (= Peptide) gebildet, die zu längeren Ketten aneinander gehängt zu Proteinen mit Kettenlängen von etwa 100 bis 500 Aminosäuren werden. Das ist die sog. Primärstruktur der Proteine.
Abb. 6. Proteinaufbau aus 20 verschiedenen Aminosäuren.
Als Folge der genetisch festgelegten Aminosäurenabfolge entstehen spontan die Folgestrukturen bis hin zum einsatzbereiten Protein mit der verknäuelten Quartärstruktur, die bei Enzymen meist kugelförmig (globulär) ist.
Wie wirken nun Enzyme?
Für ihre Funktion ist das sog. aktive oder katalytische Zentrum verantwortlich. Nur ein
einziges Molekül, das sog. Substrat passt in die Bindungsstellen (Bindungszentrum).
Diese Passgenauigkeit zwischen Substrat (z.B. Maltose) und Enzym (z.B. Maltase), häufig
anschaulich als "Schlüssel-Schloss-Prinzip" bezeichnet, bewirkt diese für das Stoffwechsel-
geschehen notwendige Substratspezifität. Ausserdem katalysiert jedes Enzym nur einen
bestimmten Reaktionstyp, womit die sog. Wirkungsspezifität begründet ist. Katalyse
bedeutet, dass die Reaktion viel schneller als ohne den Katalysator, hier mit dem Enzym
als Biokatalysator abläuft. Die vorübergehende Enzym-Substrat-Bindung verändert die
Substratgestalt derart, dass u.a. chemische Bindungen geschwächt werden und so leichter,
d.h. mit herabgesetzter Aktivierungsenergie also geringerem Energieaufwand die bioche-
mische Reaktion wie Abspaltung oder Spaltung ablaufen (z.B. Abspaltung von Maltose aus
Stärke, Spaltung von Maltose in zwei Glucose-Einheiten).
Abb. 7. Wirkung eines Enzyms am Beispiel Maltase.
Von den vielen in einer Zelle vorliegenden Molekülen, einer Art “Molekül-suppe”, fischt das Enzym Maltase auch aus zwei strukturell sehr ähnlich gebauten Molekülen wie Saccharose (Haushaltzucker) und Maltose (Malz-
zucker) nur “sein” passendes Substrat, den Doppelzucker Maltose und spaltet es in 2 Glucosemoleküle, dem Ausgangssubstrat für die alkoholische Gärung. Diese Gärung ist wiederum eine enzymkataly-sierte Stoffwechselkette (Glykolyse und Ethanolgärung), an der insgesamt 13 verschiedene Enzyme beteiligt sind (cf. diese Website: Biologie der Gärung, Abb. 3). [Abb. Quelle]
Beeinflussung der Enzymaktivitäten [Info]
Jedes Enzym hat Umweltbedingungen, bei denen es optimal reagiert. Dazu gehören folgende Faktoren: Temperatur, Einwirkzeit, pH-Wert, Substratkonzentration und enzymregulierende Faktoren.
-
Temperatur: Einer der wichtigsten Faktoren ist die Temperatur. Wärme bringt Moleküle zum Schwingen und Vibrieren und beschleunigt ihre Zufallswanderungen und Zusammenstösse. Diese Abhängigkeiten wurden im Kap. 1.2. “Temperatur und biologische Systeme" sowie in den Folgekapiteln zur "Temperatur und Beeinflussung des Brauprozesses" sowie "Temperaturführung und Gärverlauf” ausführlich behandelt.
-
Einwirkzeit: Die Einwirkzeit ist eng korreliert mit der Temperatur. Bei Enzymaktivitäten bei niedrigerer Temperatur bleibt diese lange unbeeinflusst, während sich bei höherer Temperatur die Enzymaktivität rasch ändert und abnimmt.
-
Substratkonzentration: Jede Enzymreaktion kann durch die Erhöhung der Substratkonzentration beschleunigt werden. Wenn mehr Moleküle des Substrates zur Verfügung stehen, desto öfter stossen sie mit den Reaktionszentren des Enzyms zusammen und reagieren. Allerdings erhöht sich die Reaktionsgeschwindigkeit bei gleichbleibender Enzymmenge nicht beliebig, sondern sie endet in einer Sättigung (mehr Info [Michaelis-Menten-Sättigungskinetik] hier).
-
Enzymregulation: Enzyme dürfen in lebenden Zellen nicht ständig aktiv sein, sondern nur wenn ihre Wirkung bzw. deren Produkte gebraucht werden. Hemmung und Aktivierung der Enzymaktivität stellen daher einen wichtigen Kontrollmechanismus dar. Diese Funktionen übernehmen hemmende Stoffe, sog. Inhibitoren (Bsp. viele Medikamente wie Aspirin [Acetylsalicylsäure]) und sog. Effektoren sowohl auch als Inhibitoren (Verhinderung der Substrat-Bindung an aktives Zentrum) wie auch als Aktivatoren (Veränderung der Enzymmolekülstruktur –> bessere Substratbindung). Bsp. für einen Maische-relevanten Inhibitor: Neutrase (Metalloprotease) [Info]
-
pH-Wert: Jedes Enzym ist bei einem bestimmten pH-Wert am aktivsten. Bei den meisten Enzymen liegt das pH-Optimum zwischen 6 und 8. Die Aktivität nimmt ab, je saurer oder basischer die Umgebungslösung im Verhältnis zum “idealen” pH-Wert (= pH-Optimum) wird. Aminosäuren haben elektrisch geladene positive Aminogruppen (H3N+-) und negative Carboxylgruppen (-COO-). In neutraler Lösung wird daher ein Proteinmolekül mit einer positiven Aminogruppe elektrisch von einem anderen Molekül oder einem anderen Bereich desselben Moleküls angezogen, das eine negative Carboxylgruppe hat, da beide Gruppen entgegengesetzte Ladungen tragen. Bei einer Änderung des pH-Wertes kann sich die Ladung dieser Gruppen ändern: bei niedrigem pH-Wert (= hoher H+-Konzentration) können überschüssige H+ beispielsweise mit -COO- zu -COOH reagieren. Diese nun nicht mehr negativ geladene Carboxylgruppe kann nicht mehr länger mit positiv geladenen Gruppen des Proteins in Wechselwirkung treten, was nun z.B. die Faltung des Proteins ändern kann (= Änderung der Tertiärstruktur [Abb. 6]. Ist nun das aktive Zentrum des Enzyms von dieser räumlichen Strukturänderung betroffen, vermag es sein Substrat schlechter oder gar nicht mehr binden (Schlüssel-Schloss-Prinzip).
2.3. Wasser, pH-Wert und Brauprozess
2.3.1. Einführende Bemerkungen
Prinzipiell kann trinkfähiges Bier aus fast jedem Wasser gebraut werden, sofern die korrekten Temperaturabläufe mit geschrotetem Malz kombiniert werden. Spitzenbiere brauchen aber mehr Detailkenntnisse und “Pflege”. Gemäss Palmer, der dem Thema Brauwasser ein ganzes Buch gewidmet hat (Water. A comprehensive guide for brewers, 2018, Info), sind fünf Aspekte entscheidend:
1. Herkunft des Brauwassers, dessen Wasserprofil für die Würzigkeit des Bieres wichtig ist
2. Restalkalität beeinflusst den pH-Wert der Maische, Würze und Bier
3. Chemische Wechselwirkungen zwischen Wasser und Malz beeinflussen den Maische-pH-Wert
4. Der pH-Wert ist neben der Temperatur der Schlüssel zur optimalen Aktivierung der Maischeenzyme und damit der Verzuckerung der Malzstärke.
5. Der pH der Maische beeinflusst den pH-Wert des Bieres und ist fundamental für den Geschmack.
Der pH-Wert beim Brauen hat einen vielseitigen Einfluss u.a. auf:
- Auslaugung der Malzgerbstoffe/Tannine
- Lösung von Hopfenbitterstoffen beim Hopfenkochen
- Läuterfähigkeit
- Vitalität der Hefe während der Gärung
- Geschmack: falscher pH-Wert kann unangenehmen, kratzigen Geschmack beim Trinken verursachen
- weitere Auswirkungen: siehe auch diese Website hier sowie hier.
Um einen optimalen Brauprozess mit konsistenter Bierqualität zu erreichen sollte der pH-Wert insbesondere bei jedem Schritt des Brauprozesses (und später weniger auch beim Gärvorgang) bestimmt werden. Brauwasser bezogen als Trinkwasser ist je nach Trinkwasserversorger aufbereitet oder nicht und liegt häufig ausserhalb des zum Brauen erforderlichen pH-Bereichs. Das Einstellen eines günstigen Ionenprofils für das Brauwasser und die Maische ist der erste Schritt zur Einhaltung optimaler Braubedingungen und der Konsistenz während des Brauens. Als allgemeine pH-Richtwerte werden in der Literatur etwa die folgenden Werte erwähnt (Abb. 8):
2.3.2. Das Brauwasser
Das meisten der von der kommunalen Trinkwasserversorgung gelieferte Wasser weist basischen Charakter auf, z.B. Stadt St. Gallen pH 7.87 - 8.13, Stadt Zürich 7.66 - 8.30, Stadt Chur 7.83 - 8.32. Ideal als pH-Wert für Trink- und Leitungswasser ist ein neutraler bis leicht basischer Wert zwischen 7 und 8.5. Dieser leicht basische pH-Wert kommt durch folgende Mineralienkomposition zustande, Bsp. St.Gallen (Mittelwerte): Ca 52 mg/L, Mg 9 mg/L, Na 6 mg/L, Kalium 1.4 mg/L, Chlorid** 8 mg/L, Sulfat** 33 mg/L, Nitrat 4 mg/L, Gesamthärte (Carbonathärte [∑(Ca2+- und Mg2+ -Ionen, Gegenionen Carbonationen CO32- und Hydrogencarbonationen HCO3-] und Nichtcarbonathärte ∑(Ca2+- und Mg2+ -Ionen, Gegenionen Sulfat- (SO42-), Nitrat- (NO3-) und Chlorid-Ionen (Cl-)]) °fH 16.3, Carbonathärte* (CO32-/HCO3-) °fH 12.6. Die spez. elektr. Leitfähigkeit beträgt 302 μS/cm.
*: Indikatoren der vorübergehenden oder nicht permanten Härte (Ca- und Mg-Salze aus Karbonat- und Hydrogencarbonatverbindungen, z.B. Kalkstein = Calciumcarbonat CaCO3) ≡ Alkalität (syn. Alkalinität, Säurebindungsvermögen SBV, Basizität, engl. Total Alkalinity TA). Diese Salze reagieren im Wasser alkalisch. Verhältnismässig hohe Carbonathärte führen zur Bindung der im Maischprozess entstehenden Säuren und damit zu einem Ansteigen des Maische-pH-Wertes ins ungünstige alkalische Milieu.
**: Indikatoren der permanten Härte (Ca- und Mg-Salze als hochlösliche Nichtcarbonathärte)
Abb. 8. Typische pH-Werte während verschiedenen Brauphasen.
[Quellen: z.B. Hanna Instruments], Palmer, 2018, S. 449]
Diese Daten sind für den Brauer insofern wichtig, sofern er das Brauwasser an einen bestimmten Bierstil anpassen möchte. Diese Wasseranalysenwerte bekommt man i.d.R. vom Wasserversorger als Wasserqualitätsbericht, meist auch auf dem Netz publiziert (cf. Bp. Stadt Zürich, Stadt St. Gallen). Sie können aber auch mit geeigneten Wassertests selbst ermittelt werden (cf. diese Website, Theorie und Praxis).
Als ersten Hinweis bezüglich dem Verhältnis zwischen Wasserhärte und Alkalinität kann der Brauwasser-pH-Wert dienen: ein hoher pH-Wert deutet auf eine hohe (ungünstige) Alkalinität. Aber der pH-Wert des Brauwassers alleine ist nicht sehr aussagekräftig, entscheidend ist letztlich das Mineralstoffprofil. Zwei ganz unterschiedliche Wasserprofile können denselben pH-Wert aufweisen, aber die Ionenkonzentrationen können sich völlig anders auf Brauprozesse und Gärung auswirken. Der einzig wichtige Hinweis ist die Alkalität bzw. die Restalkalität RA, die sich nachteilig auswirken können, da sie den pH-Wert von Würze und Bier erhöhen. Hohe Werte (Alkalität > 50 - 100 ppm) bzw. RA > 2 bis 10 odH (= 35 - 180 ppm) beeinflussen den Malzgeschmack abschwächend bzw. die Hopfenbittere ungünstig (lang anhaltende raue Note), insbesondere für helle und hopfenintensive Biere (RA = 0-2 °dH).
Kurz: Der pH-Wert des Wassers alleine erlaubt kein Urteil, ob sich das Wasser als Brauwasser eignet und wie es sich auf den Maische-pH auswirkt. Normalerweise muss Leitungswasser als Brauwasser bezüglich pH nicht korrigiert werden, es sei denn, man wolle ein für einen ganz bestimmten Bierstil wie Dublin (Sout, Porter) das Brauwasser aus entionisiertem/ destilliertem Wasser “designen” bzw. “tunen” oder aufgrund der “Defizite” aus dem Vergleich “Wasseranalytik/ Wasserqualitätsbericht - Bierstilerfordernis” aufbereiten (Abb. 9). Die pH-Messung dient höchstens als Indikator der Konstanz der Ionenzusammensetzung des angelieferten Leitungswassers, optimal zusammen mit dem auf Veränderungen empfindlichen Wert der elektrischen Leitfähigkeit [μS/cm].
Abb. 9. Brauwasser-Charakteristika bekannter Brauorte/ Bierstile.
Quellen: http://www.besser-bier-brauen.de/selber-bier-brauen/zutaten/wasser/index.html, Brücklmeier, 2018, S. 257;
Umrechnungseinheiten: https://braumagazin.de/article/von-der-wasseranalyse-zum-brauwasser/
1 odH = 17.857 ppm bzw. mg/L CaCO3. 1 mg Ca/1 L = 0.14 odH, bzw. Ca-Härte odH = Calcium [mg/L]/7.14; 1 mg Mg/1 L = 0.23 odH, Mg-Härte odH = Mg [mg/L]/4.34; 1 mg/L = 1 ppm, 1 °fH = 0.560 odH. Hydrogencarbonat HCO3- [mg/L HCO3-] = [mmol/L HCO3-] x 61, Hydrogencarbonat HCO3- [mmol/L HCO3- ] = Carbonathärte odH/ 2.8. Carbonathärte °dH = Hydrogencarbonat HCO3- [mmol/L] x 2.8. Info Umrechnungen.
RA-Berechnung: https://www.maischemalzundmehr.de/index.php?inhaltmitte=toolswasserrechner
Wasserhärte, primär basierend auf der säurefördernden Wirkung des Calciums und Magnesiums trägt zur Verringerung des pH-Werts der Maische bei (pH ↓: Ursache ist die Reaktion mit Phosphaten aus dem Malz: 3 Ca2+ + 2 HPO42- --> Ca3(PO4)2 + 2 H+). Die Alkalinität bewirkt gerade das Gegenteil, hebt ihn also an (pH ↑: die Ursache liegt in der säuresenkenden bzw. aciditätsvernichtenden Wirkung des Hydrogencarbonats HCO3- + H+ –> H2O + CO2).
Der Alkalitätswert dämpft die pH-Wert Regulierung. Wenn die Alkalität niedrig ist, kann der pH-Wert leichter verändert werden, entweder durch den Einsatz einer Base (bzw. Lauge oder alkalische Lösung, ein pH-Heber) und durch eine Säure (ein pH-Senker). Wenn die Alkalität hoch ist, so ist der pH-Wert schwieriger zu regulieren.
Die kombinierte Wirkung wird mit der Restalkalität RA berechnet, dem wohl wichtigsten Brauwasserparameter. Die RA ist der Überschuss an säurevernichtenden Ionen und eine wichtige Kennzahl für das Brauwasser. Die Restalkalität berücksichtigt, dass 3.5 Anteile Calcium oder 7 Anteile Magnesium die aciditätsvernichtende Wirkung von einem Teil Hydrogencarbonat aufheben können. Empirisch kann dieser Sachverhalt mit der Kolbach-Formel berechnet werden:
Restalkalität [°dH] = Carbonathärte [°dH] - (Calciumhärte [°dH]/3.5) - (Magnesiumhärte [°dH]/7) = Carbonathärte [°dH] - (Calciumhärte [mg/L]/25.025) - (Magnesiumhärte [mg/L]/30.38). Eine Faustformel lässt vereinfacht annähernd die Restalkalität abschätzen: Restalkalität = Carbonathärte - (Gesamthärte/4).
Die Restalkalität des Brauwassers wirkt sich nun direkt auf die pH-Werte von Maische, Würze und Bier aus. Da der Brauer für seine Maische einen niedrigen pH-Wert anstrebt, benötigt er logischerweise ein Brauwasser mit niedriger Restalkalität. Eine hohe Restalkalität erhöht den Würze-pH-Wert, behindert die Enzymreaktionen und führt zur Verringerung der Sudhausausbeute. Heute wird für helle Biere eine ausgeglichene RA im Bereich von 0 °dH angestrebt, für Pilsbiere sogar bis minus 5°dH. Melanoidine, die farbgebenden Substanzen dunkler Malze, wirken säurefördernd, für dunkle Biere eignet sich auch Brauwasser mit hoher Restalkalität.
Andreas Staudt hat den Versuch gewagt, eine Kriterientabelle für Brauwasser zusammenzustellen (Abb. 10).
Abb. 10. Checkliste zur Erstüberprüfung der Eignung des Leitungswassers als Brauwasser [adaptiert nach Staudt]
p-Wert: Die "Säurekapazität* bis pH 8.2" (= p-Wert) erfasst alle alkalischen Bestandteile des Wassers, die Hydroxid-Ionen bilden, wie freie Basen, sowie die ersten Hydrolstufen der Alkali- und Erdalkalisalze schwacher, mehrwertiger Säuren (z.B. Karbonate, Phosphate, Silicate). Sie gibt an, wieviel Säure (in der Praxis 0,1 N HCI) eine Wasserprobe bis zum Umschlagpunkt des Indikators Phenolphthalein (pH 8.2) aufnimmt. negativer p-Wert: Mass für Kohlenstoffdioxid CO2, -p-Wert in mmol/L x 44 = mg/L Kohlenstoffdioxid.
m-Wert: Die "Säurekapazität (KS) bis pH 4.3" (= m-Wert) erfasst darüber hinaus alle Hydrolyse-Stufen der Alkali- und Erdalkalisalze der Kohlensäure und anderer mehrwertiger Säuren. In natürlichen Wässern sind dies hauptsächlich Calzium und Magnesium (also die Carbonathärten). Sie stellt die Säuremenge dar, die bis zum Umschlagpunkt des Indikators Methylorange (pH 4.3) verbraucht wird. (Info);
*Es handelt sich bei Carbonathärte (KH), Säurekapazität (SK) und Säurebindungsvermögen (SBV) um identische Begriffe, aber je nach Anwendungsgebiet verschieden eingesetzt werden, also: KH = SK = SBV (Info, Quelle).
Einheiten: mmol/L, °dH, mg/L CaCO3, ppm, mval/L. 1 °dH = 17.8 ppm = 0.357 mval/L = 0.1783 mmol/L (Info).
Eine Zusammenstellung empfehlenswerter Restalkalitätswerte für verschiedene Bierstile/Biertyp findet sich in Abb. 11.
Empfohlene Wasserprofile
Im Folgenden werden einige aus der Literatur empfohlene bierstiladaptierte Wasserprofile anfgeführt. Diese
Empfehlungen müssen natürlich an das Wasserprofil des eigenen Brauwassers (= meistens Leitungswasser)
angepasst werden, d.h. dessen ionische Zusammensetzung mitberücksichtigt werden.
2.3.3. Brauwasseraufbereitungen
2.3.3.1. Einfaches Verfahren: Korrektur des pH-Wertes durch Zugabe von Milchsäure oder Salzmischungen
Eine rasche und einfache Anpassung des pH-Wertes von Brauwasser ist bei Kenntnis der Restalkalität die Zugabe von Milchsäure. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die Restalkalität nicht zu niedrig ist. Dann müsste das Brauwasser aufgesalzen werden (cf. Abschnitt 2.3.3.2). Bei zu hoher Restalkalität kann anstelle der Verwendung von Sauermalz (cf. Abschnitt 2.3.4) oder einfacher und rascher die dosierte Zugabe von Milchsäure sein.
Berechnung der korrekten Menge Milchsäure bzw. Salzmischung:
1. Mit Hilfe eines Online-Tools: z.B.
-
Maischemalzundmehr (Wasseraufbereitung)
-
Kleiner Brauhelfer (Download Brausoftware)
-
Brewer’s Friend (Mash Chemistry and Brewing Water Calculator)
-
Brewer’s Friend (Brewing Water Chemistry Calculator)
-
Braukaiser Water Calculator > Water calculation spreadsheet (oder direkt hier)
-
Palmer's Brewing Water App (Schritt-für-Schritt Anleitung)
-
EZWaterCalculator
-
Müggelland (Berechnung der Aufbereitung des Brauwassers mit Milchsäure oder Sauermalz)
-
BräuReKa! (Sauermalz- und/oder Milchsäurezugabe)
-
Martin Brungard’s Bru’n Water version 1.25 (vielseitiger Rechner, ausführlich erklärt).
2. Mit Hilfe einer vereinfachten Berechnung:
2 mL einer 80%-Milchsäure senkt die Restalkalität von 20 Liter Wasser um 3 °dH, bzw. um Restalkalität um 1.0 °dH zu senken, benötigt man 0.67 g 80%-Milchsäure oder 26 g Sauermalz pro 20 L Wasser. Siehe auch Abb. 13.
3. Mit Hilfe der Zugabe eines Phosphatsalzproduktes: Die speziell formulierte Mischung von Lebensmittelqualität-Phosphat-Puffer für Brauwasser beim Maischen zudosieren: etwa 8 Gramm 5.2 pH-Stabilisierungsmittel™ Five Star in wenig Wasser gelöst auf 10 Liter Brauwasser zugeben (Info1, Info2, siehe auch (kritische) Konsumenten-stimmen hier).
Abb. 11. Biertyp und Rest-alkalität. [Quelle]
Abb. 12. Brauwasserprofile verschiedener Bierstile (Ziel-werte). [Quellen: Palmer (2018), Staudt (2015)]
Abb. 13. Dosierung von Säureenthärtern zur Brauwasseraufbereitung.
Info Formel Milchsäureberechnung (RA: Restalkalität [°dH]).
Schwellenwert der Milchsäure-Wahrnehmung: etwa 400 mg/L.
Weitere Säurezugaben (Mengen in [g] oder [mL], cf. Braukaiser > Tab. 2, S. 9).
2.3.3.2. Aufwändigeres Verfahren: Einstellung der Restalkalität des Brauwassers durch Aufsalzung
Sechs gelöste Mineralien in Ionenform im Brauwasser beeinflussen das Bier (cf. diese Website, Brauwasser, Abb. 15 hier) sowie Abb. 10:
-
Calcium Ca2+: wichtigstes Ion beim Brauen –> senkt mit den Malzphosphaten den pH-Wert (und vieles mehr: cf. hier). Wünschenswerte Mindestkonzentration: 50 ppm für Ales und helle Lagerbiere, allg. Richtwert für gute Maische und pH-stabiles Abläutern 100-150 ppm. Bestimmung: siehe hier.
-
Magnesium Mg2+: ähnliche Wirkung wie Ca2+, senkt pH, essentieller Hefenährstoff. Mindestkonzentration > 5 ppm. 20-40 ppm –> Geschmacksverbesserung für dunkle Bierstile (Stout, Porter) 80 ppm –> saurer, bitterer Geschmack. Bestimmung: siehe hier.
-
Gesamtalkalität [Carbonatsystem (CO2)gelöst <–> H2CO3/ HCO3- / CO32-]. pH bestimmt relative Häufigkeit der 3 Carbonatspecies: bei pH 8.0-8.5 98% als HCO3- . Richtwerte: 50 ppm für helle Biersorten, 100-150 ppm für dunkle Bierstile. Bestimmung hier.
-
Sulfat SO42-: betonen den Hopfencharakter –> Bier schmeckt trockener und frischer. pH neutral. Richtwerte: 50-75 ppm für Helle und Kölsch, > 150-400 ppm für IPA, Pale Ales.
-
Chlorid Cl-: verstärken Malzcharakter –> Bier vollmundiger, süsser. Keinen Einfluss auf Maische- und Würze-pH. Richtwerte: 0-150 ppm. > 150 ppm –> unangenehm süss, Beeinträchtigung Gärung.
-
Natrium Na+: betonen Malzcharakter, zusammen mit Ca, Mg, HCO3- und SO42- metallischen Geschmack. Keinen Maische- oder Würze-pH-Einfluss. Richtwerte: 0-100 ppm.
Die Restalkalität, die gemeinsame Wirkung von Alkalinität (Carbonathärte) und Gesamthärte kann durch Zugabe von Salzen wie Calciumsulfat CaSO4 und Natriumhydrogencarbonat NaHCO3 oder starken Säuren verändert werden. In Anlehnung an Palmer sind in der Tabelle Abb. 17 diejenigen Salze aufgeführt, die vorzugsweise ins Brauwasser oder später auch in die Maische gegeben werden können, um die Restalkalinität einzustellen.
Beispiel zum Vorgehen zur Einstellung der Restalkalität am Bsp. für Dortmunder Export:
-
Wasserionenprofil mit den sechs Schlüsselionen beschaffen, entweder vom zuständigen Trinkwasserversorger oder aber selbst bestimmen - Trinkwasserversorger, Bsp. Stadt St. Gallen: Info –> SG-Leitungswasser: Calcium 52 mg/L, Magnesium 9 mg/L, Karbonathärte (= Gesamtalkalität) 16.6 °fH, Sulfat 33 mg/L, Chlorid 8 mg/L, Natrium 5.9 mg/L.
- Eigenmessungen: cf. Brauwasser Praxis, Physikalisch-chemisches Braulabor: Übersicht der
Untersuchungen und detaillierten pdf-Anleitungen.
2. Wunschwasserprofil ermitteln bzw. Bierstilwerte beschaffen
z.B. Dortmund (Export): Calcium 35.7 °dH (= 255 mg/L), Magnesium 6.9 °dH (= 30 mg/L),
Carbonathärte 16.8 °dH, Sulfat 240 mg/L, Chlorid 107 mg/L, Natrium 30 mg/L (Info1, Info2).
Umrechnungsfaktoren: 1 mg Ca/1 L = 0.14 °dH, bzw. Ca-Härte °dH = Calcium [mg/L]/7.14;
1 mg Mg/1 L = 0.23 °dH, Mg-Härte °dH = Mg [mg/L]/4.34; 1 mg/L = 1 ppm, 1 °fH = 0.560 °dH.
3. Ca: Endkonzentration Ca 255 mg/L = vorhandene Konz. im Leitungswasser [mg/L] + (Sollwert
Wunschprofil - Istwert Leitungswasser [mg/L]) = 52 + (255-52 = 203) = 255 mg/L
4. Differenzwert Ca durch Ca-Salzzugabe kompensieren: Differenzwert/cBRAUSALZ-ION pro 1 g BRAUSALZ
pro 1 Liter = 203 ppm/541 ppm/1 g Ca(OH)2 = 0.375 g Ca(OH)2
5. Endkonzentration Ca-Brausalz/ 20 L Brauwasser für 255 ppm Ca = 20 x 0.375 g = 7.50 g Ca(OH)2
auf 20 L SG-Leitungswasser
Nachträgliche Korrektur: –> cf. Carbonat*- und Chlorid**-Aufsalzung mit CaCO3 und CaCl2.2H2O
bringen zusätzliches Ca2+: 89.2 und 18.8 ppm Ca2+ –> neuer Differenzwert: 203 - (89.2 +18.8) =
95 ppm. Neue Differenzwert-Berechnung für Aufsalzung: 95 ppm/541 ppm/1 g Ca(OH)2 = 0.176 g
Ca(OH)2 (statt 0.375 g) –> pro 20 L = 20 x 0.176 = 3.52 g Ca(OH)2
6. Berechnung übriger Brausalzzugaben:
- Mg: End-cMg = 9 + (30-9) = 9 + 21 ppm = 30 ppm Mg2+ –> Aufsalzung mit MgCl2.6H2O
21 ppm/119.5 ppm/1 g MgCl2. 6H2O = 0.176 g MgCl2.6H2O
pro 20 L Brauwasser = 20 x 0.176 = 3.52 g MgCl2.6H2O
Abb. 14. Wasserzusammensetzung mit den wichtigsten gelösten braurelevanten Ionen.
Alle gelösten Erdalkalimetalle, mengenmässig die dominierenden Calcium- und Magnesium-Kationen, die als Carbonate, Chloride, Sulfate, Nitrate (und Nitrite) und Phosphate vorliegen, bestimmen die Gesamt-härte GH.
Die Carbonathärte KH umfasst die an Carbonat- und Hydrogencarbonat-Ionen gebundenen Ca- und Mg-Ionen, was zu den schwerlöslichen Verbindungen Calciumcarbonat (Kalk CaCO3) und Magnesium-carbonat (MgCO3) führt.
Die Nichtcarbonathärte NKH umfasst als Differenz zwischen GH und KH die an die anderen negativen Ionen, primär Chlorid- und Sulfat-Ionen "gebundenen" Ca- und Mg-Ionen.
Braurelevant: Blaue Ionen sowie Carbonathärte KH Restalkalität RA:
RA [°dH] = Carbonathärte [°dH]– (Calciumhärte [°dH]/ 3.5) - (Magnesiumhärte [°dH]/ 7) [Quelle: Abb. 1, mod.]
- Carbonat: End-cCarbonat = (16.6 x 0.560 = 9.3 °dH) + (16.8 - 9.3 = 7.5 °dH) = 16.8 °dH
7.5 °dH = 7.5 x 17.8 mg/L CaCO3 = 133.5 mg CaCO3
133.5 ppm/600 ppm/1 g = 0.223 g/L CaCO3 –> *zusätzliches Ca2+: 0.223 g x 400 ppm/1 g CaCO3 = 89.2 ppm Ca2+
pro 20 L Brauwasser = 20 x 0.223 = 4.46 g CaCO3
- Sulfat: End-cSulfat = 33 + (240 - 33) = 33 + 207 = 240 mg/L SO42-
Bereits erhöhte Sulfatkonzentration aus MgSO4.7H2O-Aufsalzung: 207/389.6/1 g = 0.53 g MgSO4.7H2O minus 0.21 g (aus Mg-Aufsalzung) = 0.32 g
MgSO4.7H2O
pro 20 L Brauwasser = 20 x 0.32 = 6.4 g MgSO4.7H2O
- Chlorid: End-cChlorid = 8 + (107 - 8) = 8 + 99 = 107 mg/L Cl- –> Aufsalzung mit 0.176 g MgCl2.6H2O
enthält bereits Cl-: pro 1 g MgCl2.6H2O sind 348.7 ppm
Cl- --> in 0.176 g sind 348.7 x 0.176 = 61.4 ppm Cl- d.h. es fehlen noch 99 - 61.4 = 37.6 ppm Cl-:
aus der Aufsalzung mit 0.061 g NaCl stammen 606.6 x 0.061
= 4.1 ppm Cl- –> neues Gesamttotal: 8 + 61.4 + 4.1 = 73.5 ppm. Fehlend: 107 - 73.5 = 33.5 ppm
–> Aufsalzung mit CaCl2.2H2O: 33.5/482.3/1 g = 0.069 g CaCl2.2H2O.
pro 20 L Brauwasser = 20 x 0.069 = 1.38 g CaCl2.2H2O
Aber: diese Aufsalzung bringt nun aber zusätzliche Ca2+-Ionen ins Brauwasser**:
0.069 g x 272.6 ppm/1 g CaCl2.2H2O = 18.8 ppm Ca2+
- Na: End-cNatrium = 5.9 + (30 - 5.9 = 24.1) = 30 mg/L Na+ –> Aufsalzung mit NaCl:
24.1 ppm/393.4 ppm/1 g = 0.061 g NaCl
pro 20 L Brauwasser = 20 x 0.061 = 1.22 g NaCl.
Berechnung der Restalkalität: cf. Berechnungstool z.B. hier.
Abb. 15. Brauwasserberechnungen.
Brauwasserberechnungen sind zwar mühsam, aber helfen zum Verständnis der nicht ganz einfachen wässrigen Brauwasserchemie. Einfacher geht's natürlich mit Berechnungstools, aber der Kopf bleibt dabei häufiger leer (= bierig ??).
Abb. 16: Berechnung der Restalkalität am Bsp. des Dortmund Export-Brauwassers. [Quelle]
Eine Restalkalität von Null bedeutet, dass sich die aciditätsfördernden und die aciditätsvernichtenden Eigenschaften der Brauwasserionen aufheben, vergleichbar dem destillierten bzw. salzfreiem (= entionisiertem) Wasser. Damit wäre der pH-Wert
der Maische/Würze ausschliesslich vom eingesetzten Malz abhängig. Eine Erhöhung der RA um 10 °dH führt zu einem pH-Anstieg um 0.3 Einheiten in der Maische.
Interpretation: Eine Restalkalität von 0-2 °dH wäre ideal (Info > 2.2. Zielwerte nach Bierstil > Tabelle).
Abb. 17. Brausalze und Säuren, deren Ionen die Restalkalität beeinflussen.
Die Zugabe von Brausalzen (und Säuren) verändert die Ionenkonzentration. Durch geschickte Kombination verschiedener Brausalze kann ein je nach Bierstil verschiedenes optimales Wassermineralienprofil erreicht werden.
Auch mit Nichtsalzen wie Säuren und Sauermalz kann die Restalkalität RA gesenkt werden: Mengenberechnungen dazu z.B. Brauwasser-Rechner der Müggelland-Brauerei. Weitere Milchsäure-Rechner: hier und hier > Show Acid Additions.
Einheiten: ppm, mval/L, °dH: 1 °dH = 17.8 ppm = 0.357 mval/L (Info).
Die Ergänzung von Leitungswasser zu einem ganz bestimmten Brauwasserprofil ist meist ein Mehrschlaufenweg, da häufig bei der Zugabe von einem Salz, z.B. Calciumsulfat sowohl die Calcium- wie auch die Sulfat-Ionenkonzentration verändert wird. Diese Schwierigkeit kann teilweise durch den Einsatz von entionisiertem Wasser bzw. durch Verdünnung von Leitungswasser mit einer zu hohen spezifischen Ionenkonzentrationen (z.B. Calcium, Römerswil 40.3 °fH = 22.5 °dH = 402 mg/L CaCO3 [Info]: eher ungeeignet für ein Pilsner) mit entionisiertem Wasser umgangen werden.
2.3.4. Einstellung des Maische-pH-Wertes durch die Malzsorten
Der pH-Wert der Maische kann auf 3 Arten eingestellt werden: 1. Durch geeignete Salzzugaben wie z.B. Gips CaSO4 ins Brauwasser vor der Malzzugabe (cf. Kap. 2.3.3.2), 2. durch Säurezugaben wie z.B. Milchsäure (cf. Tabelle in Abb. 17) und 3. durch geeignete Malzsorten bzw. Malzmischungen.
Dazu muss eine Abschätzungsberechnung des Maische-pH-Wertes durchgeführt werden.
Abschätzung Maische-pH-Wert = (Würze-pH aus Malz-COA [Certificate of Analysis]) + (RA x 0.03) - (% Caramelmalze x 0.025) - (% schwach geröstete Röstmalze x 0.03) - (% stark geröstete Röstmalze x 0.05) - (% Sauermalze x 0.01).
Restalkalität (RA) = (ppm Carbonat/Bicarbonat im Wasser [Carbonathärte] x 0.046) - (ppm Calcium im Wasser x 0.04) - (ppm Magnesium im Wasser x 0.033).
Berechnungsbeispiel:
95% Basismalz, 5% Caramelmalz, Wasser 60 ppm Carbonathärte, 120 ppm Calcium, 20 ppm Magnesium.
COA-Information: Malzanalyse allg. Bsp. Castle Malting: Spezifikationen > PDF, z.B. Château Vienna 2020 (–> pH = 5.6-6.0, d = 5.8), Château Cara blond (–> pH = 6.0).
Weyermann-Malze: Analyse per Barcode.
Berechnungen:
RA = (60 x 0.046) - (120 x 0.04) - (20 x 0.033) = - 2.70
Maische-pH = (5.8) - (-2.70 x 0.03) - (5 x 0.025) = 5.8 - 0.081 - 0.125 = 5.6 bei 20 °C.
Falls der Zielwert-pH 5.2 wäre, müsste mit z.B. Säurezugabe der pH-Wert erniedrigt werden.
Faustregeln: 0.73 Gramm von 80% Milchsäure bzw. 0.75 Gramm 75% Phosphorsäure pro 1 kg Malzschrot reduziert den Maische-pH-Wert um ca. 0.1 pH-Einheiten.
2.3.5. Brauprozess 1: Maische, Abläutern, Kochen
2.3.5.1. Maische
Das Maischen ist letztlich eine Fortsetzung des Mälzens, da ja die im Gerstenkorn bzw. in den weiteren gemälzten Stärkelieferanten wie z.B. Weizen- oder Roggenkörnern die Enzyme für den Stärkeabbau mobilisiert werden, um daraus vergärbare Zucker zu gewinnen.
Neben dem bereits mehrfach erwähnten Hauptfaktor Temperatur und weiteren Einflussfaktoren (Grad der Malzschrotung, Wasser-Malz-Verhältnis, Dauer des Maischens) ist zweifelsohne der pH-Wert der Maische der zweitwichtigste Einflussfaktor einer gelungenen Verzuckerung. Sowohl die Ausbeute als auch die Gärfähigkeit in % sind vom pH-Wert abhängig.
Brad Smith (2021) zählt alleine für den Maischeprozess folgende 10 verschiedene pH-Auswirkungen auf: 1. Zuckerextraktion, 2. Erniedrigung der Würzedichte, 3. Läutervorgang (Läuterleistung und Effizienz), 4. Trubbildung und Ausfällung, 5. Farb- und Tanninextraktion, 6. physikalische und chemische Stabilität der Würze, 7. Gärverlauf, 8. bessere und optimalere Hopfenausbeute, 9. Aromabildung, 10. bessere Bierstabilität.
Nicht-enzymatische Prozesse während der Maische mit Einfluss auf den pH-Wert.
Während der Maischephasen laufen neben den enzymatischen Vorgängen weitere Prozesse in der entstehenden Bierwürze ab. Calciumphosphat fällt aus, solange ausreichend Calciumionen in der Maischeflüssigkeit vorhanden sind:
3Ca2+ + 2H3PO4 (Malz-Phosphorsäure) –> 6H+ (pH↓) + Ca3(PO4)2.
Auch Mg-Ionen reagieren ähnlich, nur ist Mg3(PO4)3 löslicher als Ca-Phosphat mit daher geringerem Einfluss auf den pH-Wert. Auch die in der Maische vorhandenen Aminosäuren und Polypeptide reagieren vergleichbar mit den Ca-Ionen:
2(Aminosäuregruppen-COOH) + Ca2+ –> Ca(Aminosäuregruppe-COO-)2 + 2H+ (pH↓). Damit resultiert ein pH-Abfall während der Maische um ca. 0.2 pH-Einheiten (cf. Abb. 21, 25).
Erste Annäherung an die Auswirkungen des Maische-pH-Werts
Bandbreite zulässiger pH-Werte: pH 5 - 6, noch enger zwischen pH 5.2 bis 5.6, maximal bis 5.8. Innerhalb dieser Bandbreite gilt:
• optimaler pH-Kompromiss für die verschiedenen Maischeenzyme
• die Gärfähigkeit verändert sich unwesentlich
• der Gehalt an freiem Aminostickstoff (FAN, essentieller Hefenährstoff) nimmt im unteren pH-Bereich gering zu
• pH-Werte um 5.2 reduzieren die Lipoxygenase-Enzymaktivität –> langsamere Fettsäurenoxidation –> verbesserte Geschmacksstabilität.
• Zusammenfassend: Der Maische-pH-Wert beeinflusst die Verzuckerung der Stärke, die Konzentration des gelösten und gesamten Stickstoffs, die
Läuterfähigkeit, die Gärfähigkeit und das Gesamtergebnis.
Welcher pH-Wert der Maische ist optimal?
Je nach Optimierung z.B. des Proteinabbaus, der Läuterfähigkeit oder der Gärfähigkeit variiert der
“optimale pH-Wert”. Er hängt offenbar auch von den zur Einstellung des Maische-pH-Wertes
eingesetzten Chemikalien ab. In den meisten Fällen aber dürfte unter “optimalem pH-Wert” die
grösstmögliche Ausbeute (Extraktion und Verzuckerung) anvisiert werden. Verschiedene Autoren
empfehlen verschiedene pH-Fenster als optimale Kompromisse:
• pH 5.45 bis 5.65 (Briggs u.a., 1981 [Info]), pH 5.4-5.6 (GradPlato)
• pH 5.3 bis 5.8 (Bamforth, 2001 [Info])
• pH 5.5 bis 5.6: Aktivitätsmaximum von α- und β-Amylasen pH 5.3-5.7 bzw. 5.1-5.3, pH 5.2 für helle
Lagerbiere (Kunze 2016; Brücklmeier, 2018)
• pH 5.2 bis 5.8: Malzenzyme wirken am besten in diesem Bereich, idealer Maische-pH-Wert 5.5-5.6
(Brücklmeier, 2018)
• pH 5.1 bis 5.3 der eingeweichten Maische, helle Biere pH meist > 5.3 --> pH korrigieren, dunkle Biere
sind meist nahe bei pH 5.2 (Beersmith, 2010). pH 5.3-5.7 für α-Amylase bei 70 °C , pH 5.1-5.3 für
β-Amylase bei 60-65 °C (Beersmith, 2021)
• optimale Ausbeute bei pH 5.5 bis 5.8, aber besserer Geschmack, erhöhte Klarheit und Geschmacks-
stabilität bei niedrigerem Maische-pH
• beste Vergärbarkeit der Würze wird bei einem Maische-pH von 5.3-5.4 erhalten, schnellste
Verzuckerungsrate bei pH 5.3-5.6 (Bible, 2007)
• eher zu hohe pH-Werte beeinflussen die Stärke- und Proteinhydrolysen ungünstig, erhöhen auch
den Dextrinanteil, was wiederum eine geringere Vergärbarkeit bewirkt
• hohe pH-Werte laugen mehr Polyphenole (Bsp. Tannine) und Kieselsäure aus, was zu kolloidaler
Unstabilität und Adstringenz (rauhes, pelziges Mundgefühl) führen kann
• helle Biere eher bei niedrigerem pH von 5.2 bis 5.4, dunklere Biere eher bei höherem pH von 5.4 bis 5.6
• Fazit: pH-Bandbreite 5.2 bis 6.05, Mittelwert bei 5.6, Empfehlung 5.2 bis 5.4.
Korrekte pH-Messung: Die pH-Messung selbst wird auch von der Temperatur im doppelten Sinne beeinflusst
durch die zunehmende Dissoziation von Molekülen und der daraus resultierenden vermehrten Ionenbildung
(= 1. Temperatureffekt: chemische Aktivität der Würze bei der sog. Prozesstemperatur). Dieser Effekt führt zu
einer Absenkung des pH-Wertes von 0.27 bis 0.38 pH-Einheiten mit zunehmender Temperatur zwischen Raumtemperatur
(20-25 °C) und Maischetemperaturen (65-70 °C). Ein z.B. bei 70 °C gemessener Würze-pH-Wert von 5.6 würde bei auf
25 °C abgekühlter Würze einem pH-Wert von etwa 5.9-6.0 entsprechen! Dieses Problem kann durch ein standardisiertes Messverfahren (Abb. 19) behoben
werden, nämlich nach der Probeentnahme der warmen/heissen Würze eine rasche Abkühlung (im Eisbad, unter kaltem Leitungswasserstrahl, optimal in flachem Gefäss) unter kontinuierlicher Temperaturmessung und dann beim Erreichen der 25 °C eine pH-Bestimmung mit bei ebenfalls 25 °C geeichtem ATC-temperaturkompensierten pH-Messgerät (= 2. Temperatureffekt: elektrochemische Reaktion der pH-Elektrode, Empfindlichkeit der pH-Elektrode (mv/pH) [Info]), das mit 2 Kommastellen und einer Genauigkeit von mindestens ± 0.05 arbeitet.
Alle Bier-pH-Messungen, also mit Maische, Würze und Bier sollten nach diesem Verfahren durchgeführt werden.
Abb. 18. pH-Wert in der Maische.
Ein pH-Wert zwischen 5.2 bis 5.4 gilt als günstig.
Die pH-Messung direkt in der Maische ist nur bei tieferen Temperaturen sinnvoll, da sonst beachtliche Abweichungen vom "effektiven" pH-Wert resultieren und die pH-Elektrode arg strapaziert wird (--> deutlich kürzere Lebensdauer).
Abb. 19. Optimales pH-Messverfahren von Maische-proben, aber auch von Würze- und Bierproben.
Standardverfahren:
1. Eichung pH-Meter mit pH-Puffer 7.0 und 4.0 bei 25 °C.
2. Heisse Maische in Behälter (mit grosser Oberfläche) im Eisbad auf 25 ± 1 °C abkühlen, Temperaturwerte mit z.B. Küchenthermometer-Messfühler durch gleichzeitige Rührbewegungen messend verfolgen.
3. pH-Messung: im gleichen Behälter durch Eintauchen
der Elektrode bestimmen.
Hinweis: pH-Messungen in Jung- oder trinkfertigem Bier müssen mit entgastem Bier durchgeführt werden!
1: pH-Meter (Hanna HI 208), 2: Hanna Lab-App, Anzeige auf iPad 3: Eichpufferlösungen pH 4.0 und 7.0, 4: Maischeprobe,
5: Temperaturmessgerät, 6: Eiswürfel für Eisbad (T ∼ 0 °C) zum
raschen Abkühlen der warmen Maische- oder Würzeproben.
Abb. 20. Exakte pH-Messungen: empfehlenswerte Grundausrüstung zur zuverlässigen und genauen Bestimmung des pH-Wertes (cf. Info).
1: Elektrolytlösung zur Aufbewahrung der pH-Elektrode (Elektrolytlösung: 3 M
KCl + AgCl oder 3,5 M KCl, Info1, Info2, Info3)
2: pH-Meter: Elektrodenspitze ist ständig in Elektrolytlösung eingetaucht (Bsp.
pH-Meter Jenco Vision Plus)
3: pH-Meter Hanna HI 208: eingetaucht in verschliesssbaren Behälter mit
Elektrolytlösung)
4: Reinigungslösung für pH-Elektroden (HCl/Pepsin-Lösung, Info)
5: pH-Eichpufferlösungen pH 4.0, 7.0, 9.0 (syn. Kalibrierlösungen)
6: pH-Pufferkapseln, meist pH 4.0, 7.0, 10.0 (z.B. Greisinger, Vernier)
7: pH-Eichpufferlösungen pH 4.01 und 7.01 (z.B. Vinoferm)
Wichtiger Hinweis: Messtechnisch exakte pH-Bestimmungen
Die pH-Bestimmung kann nur mit ausreichender Genauigkeit (≤ ± 0.05 pH-
Einheiten) mit einem geeigneten elektronischen pH-Meter mit Glaselektrode
und ACT-Temperaturkompensation bei Standardbedingungen (25 °C)
durchgeführt werden, um reproduzierbare pH-Werte zu erhalten. Die
pH-Meter müssen regelmässig mit kalibrierten Pufferlösungen pH 4.0
und pH 7.0 (bei sauren Lösungen) bzw. pH 7.0 und pH 10.0 (bei alkalischen
Lösungen) kalibriert werden (Eichung, sog. Steilheit einstellen). Die
pH-Elektroden müssen in einer Elektrolyt-Aufbewahrungslösung (3molare
KCI-Lösung [Kaliumchlorid, c(KCl) = 3 mol/L]) nass aufbewahrt und regelmässig
mit Speziallösungen gereinigt werden (Info). Produkte: Beispiel 1 Beispiel 2;
Kurzanleitung zur Haltung und Reinigung von pH-Elektroden [Reinigungs-
gemische aus verdünnter Salzsäure (0.1-molar) und Pepsin (handelsüblich),
z.B. hier].
Siehe dazu ausführlichere Informationen auf dieser Website unter
• Brauwasser > 2.3. Kenngrösse 2: Der pH-WERT - ein Schlüsselparameter
(Theorie)
• Physikalisch-chemisches Braulabor > 3.2. Die Bestimmung des pH-Werts
(Praxis) > pdf-Anleitung “Bestimmung pH-Wert mit Indikatoren und pH-
Messgeräten (Glaselektroden)” > vorzugsweise: “4. Messvariante: pH-Meter
mit Glaselektroden”, S. 4-7.
Einstellung/Korrektur des pH-Wertes während dem Maischeprozess
Die Einstellung auf den gewünschten pH-Optimalwert für die Maische sollte sehr rasch, spätestens wenige Minuten nach der Zugabe des Malzschrotes in das Brauwasser (= Schüttung im Hauptguss) erfolgen.
Vorgehen:
1. Vorbereitung 1: Rechnerische vorab Grobabschätzung der Milchsäurezufuhr mittels 1. folgender “Faustformeln”: pH-Korrektur kann erfolgen
- Malzbezogen: 0.58 g 100%-Milchsäure (= 0.72 g 80%-Milchsäure) pro 1 kg Malz senken den pH um 0.1 Einheiten
- Maischebezogen: 2 g 100%-Milchsäure (= pro 20 L) Maische senken den pH um 0.1 pH-Einheiten
- Sauermalzbezogen: Sauermalz senkt den pH um je 0.1 Einheiten bei einem Massenanteil von jeweils 1%, oder 2. Rechner: einfacher und komfortabel ist
die Abschätzung mittels eines geeigneten Rechners wie z.B. hier (Info dazu). Weitere Rechner: BeerSmith3
> Mash pH Adjust-Tool Lactic Acid (Info, Bezug des Tools BeerSmith 3 hier, allg. Info), Brewer's Friend "Mash Chemistry and Brewing Water Calculator"
2. Vorbereitung 2: pH-Messung standardisiert mit pH 4.0- und pH 7.0-Eichpuffer geeichtem elektronischem pH-Meter bei jeweils 25 °C Probentemperatur
3. Zugabe von zunächst etwa 80-90% der errechneten Milchsäuremenge (cf. Pkt. 1) und 1. pH-Messung und sofortige Probeentnahme zur pH-Bestimmung
(Wichtig: möglichst rasche Abkühlung der Proben im Eisbad unmittelbar nach der Wasserzugabe zum Malzschrot und unverzüglich pH-Bestimmung, da die
enzymatische Verzuckerung sehr rasch ablaufen kann und der pH-Wert von Beginn an optimal sein sollte!)
4. Zugabe der Restmenge an Milchsäure und evtl. weiterer notwendiger Milchsäure in rascher Abfolge, begleitet von weiteren pH-Messungen in den rasch
abgekühlten Proben, bis der erwünschte pH-Optimalwert eingestellt ist (meist zwischen pH 5.2-5.6). Hinweis: "Restmengen" und evtl. "Zusatzmengen" an
Milchsäure in kleinen Dosen zuschütten. Eine evtl. pH-Korrektur bei zu tiefem pH-Wert mit Zugabe von schwacher Natronlauge (NaOH) oder Backpulver
(Natriumhydrogencarbonat, Trivialname Natron, NaHCO3). Bei gleichbleibender Bierrezeptur sind die benötigten Mengen am Milchsäure bekannt und die
korrekte erwünschte Maische-pH-Wert-Einstellung kann sehr rasch erfolgen.
5. Gegen Ende der Maischphase nochmals eine pH-Messung und evtl. pH-Anpassung an “Idealwert” beim Abläutern (ca. pH 5.4-5.0, cf. folgenden Abschnitt
“Abläutern”).
Anmerkung: Eine Ansäuerung der Maische mit verschiedenen Mengen an Milchsäure bringt zwar eine Erniedrigung des pH-Werts der verschiedenen Würzen (z.B. Vorderwürze, Ausschlagwürze), aber bleibt von geringer Auswirkung auf den End-pH-Wert im Bier (z.B. Zugabe von 80%-Milchsäure in [mL]/[L] Würze: 0 mL pH↓ 5.73 –> 4.30/ 0.72 mL pH↓ 5.59 –> 4.33/ 1.68 pH↓ 5.40 –> 4.30/ 2.65 pH↓ 5.20 –> 4.26 (Info, S. 68, Tab. XI); ohne Säure pH 5.56 –> 4.46, mit Säure pH 5.32 –> 4.44 (Narziss/Back, 2009, S. 101).
2.3.5.2. Abläutern
Der pH-Wert während dem Maischen sinkt innerhalb einer Stunde langsam um ca. 0.2-pH-Einheiten (cf. Abb. 20). Vom Ideal-pH-Wert der Maische zwischen 5.2 -5.6 sinkt er also auf pH 5.4-5.0 in der Pfannevollwürze ab. Dabei muss geachtet werden, dass zur Gesamtmenge der Vorderwürze die Nachgüsse bzw. das Anschwänzwasser genug Calcium enthalten (i.d.R 100 bis 200 ppm), damit der pH-Wert beim Auswaschen des Zuckers nicht ansteigt. Alkalisches Anschwänzwasser kann auch einfach mit Milchsäure auf etwa pH 5.2 bis 5.5 gebracht werden (ausführliche Info zur Korrektur des Anschwänzwassers siehe Palmer/Kaminski, Water, 2013, Anhang B, S. 249 ff.).
Wichtig: das durch den Treber gelaufene Vorderwürze-angereichertes Anschwänzwasser darf beim Einlaufen in die Pfannevollwürze den pH-Wert von 5.8 - 6.0 nicht übersteigen, da sonst zu viele Bitterstoffe ausgewaschen werden. Als Richtwert für die Vorderwürze (vor dem Anschwänzen aus dem Hauptguss gewonnene geläuterte Würze) wird ein pH-Wert von < 6.0 empfohlen.
Der durch Haupt- und Nachgüsse vereinigte Extrakt, also die gesamte Sudmenge zu Beginn des Würzekochens wird auch als Pfannenvollwürze bezeichnet. Der empfohlene pH-Bereich wird mit < pH 5.6 angegeben (Staudt, Bierfehler)).
2.3.5.3. Kochen (Sud)
Während des Siedens laufen ähnliche Prozesse in der Bierwürze wie vorher in der Maischebrühe ab. Solange noch Ca2+-und Mg2+-Ionen vorhanden sind, kann der pH-Wert um 0.15-0.25 Einheiten sinken (pH↓). Auch die Lösung der Hopfenbittersäuren und die Bildung saurer Melanoidine (Maillard-Reaktionen) können den pH-Wert senken. Aber meistens bleibt er während des Kochens eher stabil und pendelt sich auf etwa pH 5.4 bis 5.0 ein, optimal auf 5.0 - 5.2. In diesem pH-Bereich gelingt es, den typischen Charakter aus dem Hopfen zu extrahieren, die Menge an Hopfenbruch zu maximieren und die Farbaufnahme während des Kochens auf ein Minimum zu beschränken.
Die Isomerisierung von Alphasäuren zu Iso-Alphasäuren während des Würzekochens wird durch den pH-Wert beeinflusst. Diese Isomerisierungsreaktion wird durch einen höheren pH-Wert begünstigt, bei pH-Werten zwischen 8-10 kann die Umwandlung in Iso-Alphasäuren bis zu 90% betragen. Deshalb werden Hopfenextrakte bei sehr hohen pH-Werten hergestellt. Bei typischen Würze-pH-Bereichen (5.2-5.4) ist die Umwandlung auf ein theoretisches Maximum von etwa 60 % begrenzt, mit einem Endausnutzungsgrad von etwa 35 %. Dies bedeutet nicht, dass ein hoher Koch-pH-Wert eine gute Sache ist; obwohl Hoch-pH-Kochungen mehr Bitterkeit aus dem Hopfen extrahieren, ist der Charakter der Bitterkeit "gröber" und das Bier wird wahrscheinlich unter vielen anderen pH-bezogenen Problemen leiden. Ein niedrigerer pH-Wert ist daher günstiger, da er zwar die Bitterstoffausnutzung des Hopfens verschlechtert, aber eine feinere Bittere verursacht.
Die Koagulation und damit die Ausflockung des Heisstrubes - ein Komplex aus Proteinen und Polyphenolen - ist eine weitere wichtige Funktion des Kochens. Der pH-Wert des Kochens hat einen sehr sichtbaren Einfluss auf diese Funktion. Der optimale pH-Wert für die Bruchbildung liegt bei 5.2. Wenn zu Beginn des Kochens grosse, fluffige Bruchstücke in der Würze zu sehen sind, ist das eine visuelle Bestätigung, dass der pH-Wert im richtigen Bereich liegt.
Die Farbe der Würze nimmt im Allgemeinen während des Würzekochens aufgrund von Maillard-Reaktionen zu, Reaktionen also zwischen Aminosäuren und Zuckern. Maillard-Reaktionen werden bei niedrigeren pH-Werten nicht begünstigt, die Zufärbung der Würze wird bei niedrigeren pH-Werten verringert. Daher ist es wichtig, eine Würze mit einem niedrigeren pH-Wert zu haben, wenn ein Bier mit hellerer Farbe hergestellt werden soll.
Und nicht zuletzt schützt ein niedrigerer pH-Wert eher vor mikrobiellen Kontaminationen bei den nachfolgenden Gärprozessen.
Wenn der pH-Wert Ihrer Würze gesenkt werden muss, hilft in der Regel die Zugabe von ein wenig Calcium. Für etwa 20 Liter Würze sollten 1/4 bis 1/2 Teelöffel Gips (Calciumsulfat CaSO4) oder Calciumchlorid CaCl2 ausreichen. Es kann auch mit Säure pH-senkend korrigiert werden.
Abb. 21. Zusammenfassung: Toleranzbereiche der pH-Werte und deren Veränderungen während des gesamten Brauprozesses (Maische - Würze - Sud),
Gärung und Endstufe “Bier”.
vgl. auch Abb. 25. [mod., nach Palmer (2014) > Folie 12]
2.3.6. Brauprozess 2: Gärung
Während der Gärung sinkt der pH-Wert aus verschiedenen Gründen weiter ab, i.d.R. vom "Startwert" pH 5.5 auf etwa 4.3 bis 4.5. Ein niedriger Maische-pH begünstigt die Aktivität der proteolytischen Enzyme. Hefezellen nehmen Ammoniumionen NH4+ auf, die stark basisch wirken und scheiden organische Säuren aus, einschliesslich Milchsäure. Die Würze weist kaum eine Pufferkraft auf und so sinkt der pH-Wert um etwa 0.5 Einheiten. Eine klassische Eiweissrast während des Maischens verursacht je nach Dauer eine grössere Stickstoffanreicherung in der Würze, welche eine zusätzliche Pufferung bewirkt: die pH-Absenkung fällt dann geringer aus, ca. 0.3 pH-Einheiten. Auch der gewählte Hefestamm kann den endgültigen pH-Wert des Bieres beeinflussen. Die meisten Lagerbiere enden bei pH 4.2-4.6, einige Ales enden bei 3.8. Saure Biere wie Berliner Weisse, Lambic oder Gueuze können gar pH-Werte um 3.0 haben (siehe auch pH-Werte kommerzieller Biere hier).
Das Erreichen eines optimalen pH-Werts von weniger als 4.4 begünstigt eine schnellere Bierreifung (einschliesslich der Aufnahme von Diacetyl), eine bessere Bierklarheit, eine bessere biologische Stabilität und insgesamt einen "feineren" Biergeschmack.
Brauer stellen den endgültigen Bier-pH-Wert selten mit Säure ein. Um einen geeigneten End-pH-Wert zu erreichen, genügt es, eine gute, kräftige Gärung durchzuführen. Da der pH-Wert mit der Gärung abnimmt, neigen trockenere Biere dazu, etwas niedrigere pH-Werte zu haben. Ein interessantes Detail über die Gärung ist, dass sich einige Moleküle im gärenden Bier entfärben, wenn der pH-Wert sinkt, so dass die Farbe des Biers während der Gärung tatsächlich leicht aufhellt.
Eine “Anpassung” des pH-Wertes nach der Gärung übt kaum mehr Einfluss auf den harmonischen Eindruck eines Bieres aus! Ein optimaler Maische-pH-Wert bzw. spätestens der Anstellwürze (vor der Gärung!) ist für das fertige Bier entscheidend:
- allgemein trinkfertige Biere: pH 4.0 bis 4.8
- helle Biere: optimaler pH-Wert niedriger, bei pH 4.0-4.4 –> ausgeprägtes Malzaroma, edleres Hopfenaroma, Richtung pH 4.0 Geschmacksprofil
prägnanter, gegen 4.4 weicher
- dunkle Bierstile: optimaler pH-Wert höher, bei pH 4.3 bis 4.7 –> höhere Komplexität, Spezialmalzgeschmack wird betont.
Um alle Geschmacks- und Geruchskomponenten der drei Aromahauptbestandteile - Malzaroma, Hopfenaroma und Hefearoma - herauszuholen, ist die “Manipulation” am Maische-pH-Wert um 0.1 bis 0.2 Einheiten der erfolgversprechendste Weg, um den bierrezepttypischen idealen pH-Wert zu finden.
2.3.7. Hopfenstopfen (Trockenhopfung, Dry hopping) und pH-Wert
Beim Hopfenstopfen wird dem Bier gegen Ende der Gärung getrocknete Hopfendolden
beigemischt, um Bier mit frischem Hopfenaroma zu versehen. In der Regel erhöht das
Hopfenstopfen den pH-Wert (Abb.), bei hohen Hopfenmengen wie z.B. bei trüben IPA-
Bieren bis auf pH > 5.0. Dies führt zu einer Schwächung er oxidativen und mikrobiellen
Stabilität. Abhilfe kann eine Säurezufuhr zur Bierwürze nach dem Sud sein, um ein
Ansteigen des pH-Wertes über 4.8 zu verhindern. Auch eine Ansäuerung nach der
Fermentation kann die Stabilität gegenüber einer Oxidation des fertigen Bieres erhöhen.
Mehr Info dazu: Janish Scott - A Look at pH in Hoppy Beers (2020) hier (inkl. Rechner).
Abb. 22. Hopfenstopfen mit Brewferm "Hop Tube" (Info).
Zugabe von Hopfendolden oder Pellets.
2.3.8. Abfüllung, Reifung und Lagerung der Biere
Der pH-Wert ist am Ende einer gesunden Hauptgärung auf etwa 3.95 bis 4.40, häufig zwischen 4.3 - 4.5 abgesunken, je nach Biertyp (Ale, Lager) etwas verschieden. Vor der Abfüllung wird der pH-Wert nur noch kontrolliert und nicht mehr "manipuliert", was auch keinen grossen Einfluss mehr auf die Gesamtqualität des Bieres hätte. Ein pH-Wert von unter 4.5 bietet auch Sicherheit vor mikrobieller Kontamination (mit Ausnahme von Milchsäurebakterien). Bei einer Flaschengärung, der typischen Nachgärung (bzw. Sekundärgärung) bei Heimbrauern sinkt der pH nur noch schwach auf den stiltypischen Endwert (Hinweise: Info). Im trinkfertigen Bier kann ein pH-Wert, je nach gelöster CO2-Menge (Karbonisierungsgrad) von 4.0 bis 4.7 gemessen werden. Eine pH-Messung ganz am Schluss dient höchstens noch der Qualitätssicherung. Solange kein Kohlenstoffdioxid CO2 entweichen kann, bleibt der pH-Wert stabil.
2.4. Anzucht/Kultivierung von Hefen in festen und flüssigen Nährmedien
Für die Kultur von Mikroorganismen wie Hefen ist neben der Zusammensetzung auch der pH-Wert
des Kulturmediums von grosser Bedeutung. Die meisten Bakterien haben ihr pH-Optimum im
schwach sauren (pH 6.8) bis neutralen pH-Bereich, während Pilze und Hefen dagegen in der Regel
im stärker sauren Milieu optimal wachsen. Milchsäurebakterien Lactobacillus spp. mit einer hohen
Säuretoleranz wachsen zwischen einem Minimal-pH-Bereich von 3.8-4.4 bis maximal zum pH 7.2.
Die Hefe Saccharomyces cerevisiae kann im pH-Bereich zwischen 2.3 (!) bis 8.6 leben.
Die üblichen Nährmedien zur Hefekultivation (Standardnährmedien für Flüssigkulturen, Würze-Agar,
Startermedien, cf. diese Website "Mikrobiologisches Braulabor I > Braulabor 7 - Nährmedienrezepte
für Hefen und Bakterien" hier) zur Isolierung, Keimzahlbestimmung, Anreicherung sowie primär der
Anzucht weisen meist einen pH-Wert von 4.7 - 4.8 ± 0.2 auf. Der pH-Wert wird mit sterilisierter
Milchsäure 10% eingestellt, kann aber auch durch Zugabe von 0.2% di-Natrium- oder di-Kalium-
hydrogenphosphat (0.2 g/100 mL Na2HPO4 resp. K2HPO4) dem Nährrezept zugesetzt werden.
Der optimale pH-Wert für das Wachstum von Milchsäurebakterien (Lactobacillus-Arten) für Sauerbiere
(z.B. Berliner Weisse) liegt bei einem leicht sauren pH-Bereich (pH 5 bis 6), wobei auch saure pH-Werte
bis pH 4 toleriert werden (cf. hier).
Abb.23. Kultivation von Hefen: wachsen gut in sauren Nährmedien bei pH 4.7 (mehr Info hier).
2.5. Schlussfolgerungen und Zusammenfassung/ Merkstoff
Der pH-Wert ist neben dem Haupteinflussfaktor Temperatur die zweitwichtigste Stellgrösse für den gesamten chemisch-biochemischen und mikrobiellen Brauprozess, von der Maische bis zum fertigen Bier. Der optimale pH-Wert vor allem von Maische und Würze ergibt nicht nur einen optimierten Brauprozess und optimale Bierqualität, sondern auch verbesserte mikrobiologische Sicherheit und Stabilität im fertigen Bier.
pH-Messungen: wann und wie oft?
Wo und wie häufig sollte nun der pH-Wert bestimmt, gegen einen Referenzwert verglichen und dann evtl. angeglichen bzw. korrigiert werden? Die Antworten sind tabellarisch in Abb. 23 zusammengefasst.
Wie pH-Wert bestimmen?
pH-Teststreifen und pH-Farbindikator-Testflüssigkeiten sind zu ungenau. Die Messungen sollten mit einem elektronischen, temperatur-kompensierten Digital-ACT-pH-Meter durchgeführt werden (0.05 pH-Einheiten genau), immer bei standardisierten Bedingungen messen (bei 20 oder 25 °C, nach einer Eichung mit gepufferten Kalibrierlösungen pH 4.0 und pH 7.0). pH-Messungen von Bier: nur in entgastem Bier!
Details siehe hier und genaue Anleitung hier. Info zum pH-Messgeräten hier > “3. pH-Messungen (Säuregrad/-wert)”. pH-Elektrode korrekt in Elektrolyt-Aufbewahrungslösung lagern. Periodisch sachgemäss reinigen (cf. hier).
Wie den pH-Wert korrigieren?
Der gewünschte pH-Wert kann durch
-
Entkarbonisierung (Entfernung von CO2) des Brauwassers durch Kochen, Kalkwassermethode (Zugabe von Calciumhydroxid Ca(OH)2 [Info], sowie durch schwach sauren Kationentauscher)
-
Einsatz von Sauermalz
-
Säurezugabe (meist 80%-Milchsäure oder 10%-Phosphorsäure) oder Brausalzzugaben (pH↓: z.B. Calciumsulfat oder Calciumchlorid; siehe Abb. 17) erreicht werden.
Die Säuerungsmassnahmen sollten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erfolgen, also unmittelbar nach dem Einmaischen, um eine optimale Entfaltung der Enzymwirkungen zu ermöglichen.
Säurezugabe:
Vorgehensweise pH-Korrektur bzw. Dosierungs-Faustregeln:
1. Messtechnisch pH↓verfolgen: 1-2 Teelöffel CaSO4 . 2H2O oder CaCl2 . 2H2O; Milchsäure 80% oder Phosphorsäure 10%: vorsichtig in Bierwürze eintropfen lassen, durchmischen und kontinuierlich in der (warmen, aber nicht heissen) Lösung pH verfolgen: bei hohen Maischtemperaturen ist der angezeigte pH-Wert bis zu 0.3 Einheiten zu tief gegenüber der Raumtemperatur (z.B. 5.2 bei 65 °C –> pH 5.5 bei 25 °C), daher letzte (= genaue) Messung bei Raumtemperatur (zw.20-25 °C) durchführen!
Abb. 24. Zusammenfassung der wesentlichen pH-Werte während des ganzen Brauprozesses bis zum fertigen Bier.
d: Durchschnittswert, RA: Restalkalität.
2. Rechnerische Grobabschätzung mittels folgender “Faustformeln”:
-
Brauwasserbezogen: 2 mL einer 80%-Milchsäure senken die Restalkalität von 20 Liter Brauwasser um 3 °dH bzw. 0.67 mL für 1 °dH (72 g 80%-Milchsäure = 60 mL, 2 mL = 2.4 g) ; siehe auch Tab. Abb. 13 hier.
-
Malzbezogen: 0.58 g 100%-Milchsäure (= 0.72 g 80%-Milchsäure) pro 1 kg Malz senken den pH um 0.1 Einheiten
-
Maischebezogen: 2 g 100%-Milchsäure bzw. 2.48 g 80%-Milchsäure (= pro 20 L Maische) senken den pH um 0.1 pH-Einheiten
-
Sauermalzbezogen: Sauermalz senkt den pH um je 0.1 Einheiten bei einem Massenanteil von je 1%
-
Würzebezogen: 1 g Milchsäure pro 20 L Würze senken den pH um 0.1 pH-Einheiten
Rechenbeispiel: Maische-pH-Wert von 6.0 auf 5.5 absenken bei 5 kg Malz:
- Menge an Milchsäure: 2 g Milchsäure/20 L Maische (= 2.48 g 80%-Milchsäure) x
3. Einfachstverfahren ohne Berechnungen (nach M. Brungard, in: Beechum/Conn, 2019, S. 160)
-
Brauwasser mit hoher Alkalität (Säureverbindungsvermögen, vereinfacht: hoher
Carbonatgehalt): Zugabe von 0.5 mL 88%-Milchsäure (= 0.55 mL 80%-Milchsäure)
oder 5 mL 10%-Phosphorsäure (= 0.667 mL 75%-Phosphorsäure) pro 1 US-Gallone
(= 3.785 L) Brau- und Nachguss-/Anschwänzwasser bzw. umgerechnet auf 20 L
Wasser: 2.9 mL 80%-Milchsäure oder 3.5 mL 75%-Phosphorsäure.
3. Schlüsselabbildungen zum pH-Wert:
- Abb. 10: Checkliste Eignung des Leitungswasser als Brauwasser
- Abb. 12: Wasserprofile für spezifischen Bierstil
- Abb. 17: Brausalze und Säuren zur Veränderung der Restalkalität
- Abb. 21: pH-Veränderungen während gesamtem Brauprozess
- Abb. 24 + 25: Zusammenfassung pH-Werte während Brauprozess
Abb. 25. Zusammenfassung: Optimale pH-Werte (Toleranzgrenzen) beim gesamten Brauprozess.
Hinweis: je nach Quelle variieren die pH-Angaben leicht, aber der pH-Bereich ist meistens vergleichbar.
Abb. 26. Bier ist ein erfrischend saures Getränk!
1: Magensaft, 2: Zitronensaft, 3: Apfelsaft, 4: Tomatensaft, 5: Kaffee, 6: Milch, 7: reines Wasser,
8: Ei, 9: Backpulver, 10: Handseife, 11: Ammoniaklösung, 12: Bleichmittel, 13: Rohrreiniger,
14: Natronlauge NaOH. [Quelle, mod.]
Literatur/Quellenangaben zum pH-Wert
- Ashton, L., Measuring mash pH. BYO (Brew Your Own), March-April (2007).
- Bamforth, C.W., pH in Brewing: An Overview. Technical Quartely 38(1), 1-9 (2001).
- Basarova, G., Savel,, J., Basar, P., Basarova, P., Lejsek, T., The Comprehensive Guide to Brewing. From Raw Material tp Packaging.
1. Aufl. (2017), Fachverlag Hans Carl, Nürnberg.
- Beechum, D., Conn, D., Simple Homebrewing. Great Beer. Less Work. More Fun. 1. Aufl. (2019). Brewers Publications, Boulder CO, USA
- B. Smith (Beersmith), Beer Recipe Design. BYO’s (Brew Your Own) Online Boot Camp – April 30, 2021.
- Bible, C., The Priciples of pH. BYO (Brew Your Own), September (2007).
- Fritsche, O., Biologie für Einsteiger. Prinzipien des Lebens verstehen. 2. Aufl. (2015). Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg.
- Kunze, W., Technologie Brauer & Mälzer. 11. Aufl. (2016), VLB Berlin.
- MacWilliam, I.C., pH in Malting and Brewing. Journal of the Institute of Brewing 81, 1 Jan/Feb, (1975), S. 65-70.
- Narziss, L., Back, W., Die Bierbrauerei. Band 2: Die Technologie der Würzebereitung. 8. Aufl. (2009). Wiley-VCH Verlag, Weinheim.
- O’Rourke. The role of pH in brewing. The BREWER International Vol. 2 (8), 21-23 (2002).
- Palmer, J., Kaminski, C., Water. A comprehensive guide for brewers. 1. Aufl. (2013). Brewers Publications, Boulder CO, USA.
- Palmer, J.J., erfolgreich Bier brauen. Ein Ratgeber für Anfänger und Fortgeschrittene. 1. deutsche Aufl. (2019). Mobiwell Verlag, Immenstadt.
- Sadava, D., Hillis, D., Heller H.C., Hacker, S., Hrsg. Markl, J., Purves Biologie. 10. Aufl. (2019). Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg.
- Smith, B.J., Home Brewing with BeerSmith. How to brew and design great beer at home. 1. Aufl. (2010). BeerSmith LLC, Clifton, Virginia, USA.
- Waldron, M., Quality Labs for Small Brewers. Building a Foundation for Great Beer. 1. Aufl. (2020), Brewers Publications, Boulder, CO/USA.
Internet pH
- Braukaiser, Water, malt and mash pH. Mash pH Control.
- Dekant, C., Biologische Säuerung: pH-Wert Tuning für Bier. GradPlato.com
- Janish, S., A Look at pH in Hoppy Beers. Heavy dry hopping will increase the final pH of beer, but does it matter? (2020):
- Seilnacht, T., pH-Wert im Alltag, Mensch, Boden: Seilnacht-Chemie
- Staudt, A., Von der Wasseranalyse zum Brauwasser. Brau!Magazin, Frühjahr (2015)
- Staudt, A., Bierfehler des Quartals: Unangenehme Bittere. Brau!Magazin, Herbst (2017)
- Troester, K., I. An Overview of pH (hier), II. How pH affects brewing (hier), III. Mash pH control (hier).
Internet Wasseraufbereitung, Säure- & Salzzugaben, Restalkalität
-
Maischemalzundmehr (Wasseraufbereitung, Restalkalität)
-
Kleiner Brauhelfer (Download Brausoftware)
-
Brewer’s Friend: Mash Chemistry and Brewing Water Calculator Water profiles around the world
Basic Brewing Water Chemistry Calculator)
-
Braukaiser Water Calculator > Water calculation spreadsheet (oder direkt hier)
-
Palmer's Brewing Water App (Schritt-für-Schritt Anleitung)
-
EZWaterCalculator
-
Müggelland (Berechnung der Aufbereitung des Brauwassers mit Milchsäure oder Sauermalz)
-
BräuReKa! (Sauermalz- und/oder Milchsäurezugabe)
-
Martin Brungard’s Bru’n Water version 1.25 (vielseitiger Rechner, ausführlich erklärt).
-
Wassereinheiten Umrechnung: siehe hier > Tabelle "Gesuchter Wert - Vorhandener Wert - Umrechnung"
-
Formelsammlung: Kleiner Brauhelfer > Wasseraufbereitung
-
Beliebte Bierstile: Wasseranalyse > 2.2. Zielwerte nach Bierstil > Tabelle einiger beliebter Bierstile
Summary of Water Target Profiles
Der tiefe (chemische) Blick ins Glas ....
MUG
Mikrobrauerei
seit 2012
Für Edge+Chrome+Firefox auf Notebook, Personal Computer und iPad optimiert, für Smartphones ungeeignet
04.11.2024